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Archiv-Artikel

Keine Hoffnung für die Zeit danach

Im letzten Golfkrieg jubelten viele Palästinenser Saddam Hussein zu. Heute gibt es nur kleine Kundgebungen. Die Menschen sind skeptisch, ob es nach einem Sieg über Bagdad zu einer israelisch-palästinensischen Annäherung kommen wird

„Wer glaubt heute wirklich noch, dass Saddam Hussein New York bedroht?“

aus Gaza SUSANNE KNAUL

Er will „die jüdischen Hunde vernichten“ und er unterstützt Familien der „Märtyrer“, die im Kampf für die palästinensische Selbstbestimmung ihr Leben opferten, mit bis zu 25.000 US-Dollar. Eine Umfrage in den besetzten Gebieten würde ohne Zweifel ergeben, dass der irakische Präsident Saddam Hussein einer der beliebtesten arabischen Politiker ist. Und doch finden in Nablus, in Ramallah und Gaza nur recht bescheidene Kundgebungen statt, wenn es um den Krieg geht.

Jede Beerdigung eines „Märtyrers“ lockt wesentlich mehr Demonstranten auf die Straßen als die Solidarität mit dem irakischen Volk. Dabei waren es vor zwölf Jahren vor allem die Leute im Gaza-Streifen und im Westjordanland, die die irakische Flagge und Bilder Saddams hochhielten und ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die baldige Erlösung aus Bagdad kommen wird. „Die Leute sind müde“, erklärt der Politikwissenschaftler Dr. Salach Abd al-Jawwad von der Universität Bir-Zeit die palästinensische Vorkriegslethargie. „Sie fühlen sich hilflos und glauben nicht daran, dass ihre Demonstrationen etwas bewirken können.“ Gleichzeitig sei die Solidarität der Palästinenser mit dem irakischen Volk vor zwölf Jahren „gegen sie selbst missbraucht worden“. Vor allem Palästinenserpräsident Jassir Arafat habe einen „so hohen Preis“ zahlen müssen, dass es eine Wiederholung der Umarmung mit Saddam Hussein diesmal nicht geben wird. Dazu kommt, dass heute kaum noch jemand glaubt, Saddam könne ihm helfen.

Zahlreiche Palästinenser kletterten Anfang 1991 auf die Dächer, um von dort aus besser die irakischen Scuds zu sehen, die vor allem auf Tel Aviv abgefeuert wurden, und um jeden Einschlag zu bejubeln. „Die Leute waren frustriert“, erklärt Dr. Abd al-Jawwad. „Sie demonstrierten nicht, weil sie Saddam so sehr liebten.“ Für die israelische Friedensbewegung bedeuteten die palästinensischen Dachparties dennoch eine erste schwere Vertrauenskrise gegenüber ihren palästinensischen Mitstreitern und einen tiefen Einbruch auf innerisraelischer Ebene.

Um Sympathie für das irakische Regime geht es bei den wenigen Palästinensern, die gegen den Krieg protestieren, offiziell nicht mehr. „Darum geht es doch überhaupt nicht“, reagiert Abdallah Charani, Chef des Palästinensischen Solidaritätskomitees mit dem Irak in Gaza und langjähriges Mitglied im PLO-Zentralkomitee, ungehalten auf die Frage, ob er mit dem Volk oder der Führung in Bagdad sympathisiere. Die Slogans der palästinensischen Antikriegskampagne unterscheiden sich heute kaum noch von den europäischen Demonstrationen. Es geht um die völkerrechtlichen Aspekte einer Offensive und um die umstrittenen Motive des Weißen Hauses.

„Wer kann heute wirklich noch glauben, dass Saddam Hussein New York bedroht?“, fragt Charani, und: „Welches Land in der Region verfügt noch über Atomwaffen?“ Folgten die USA ihrer eigenen Argumentation, dann „müssten sie zuallererst Israel abrüsten“. Tatsächlich stünden hinter der bevorstehenden Offensive Ölinteressen und die Besatzung des Irak, wo die USA eine Regierung einsetzen werden, die dann „so schnell wie möglich die Existenz Israels anerkennt“.

Dass der Militärschlag in ein paar Tagen über die Bühne gehen werde, wie Armeekorrespondenten auch in Israel hoffen, sei illusorisch. „Die USA stehen vor einem langen Krieg im Irak und in der ganzen Region“, warnt Charani, denn die irakische Bevölkerung werde jedes von den USA errichtete „Marionettenregime“ ablehnen und bekämpfen. Als Alternative zum Krieg schlägt Charani Wirtschaftskooperation vor allem im Ölhandel vor. Nur so würden „die Araber ihre Haltung gegenüber den USA verändern“. Mit einem Krieg schaffe sich der Westen nur seine eigenen Feinde.

Charani zerstreut nicht nur die Hoffnungen auf ein gestärktes moderates Lager nach dem Krieg, er ist zudem skeptisch, ob es eine israelisch-palästinensische Annäherung geben wird. „Die Araber und die Palästinenser werden durch den Militärschlag geschwächt werden“, vermutet er und rechnet mit israelischen Offensiven im Schatten der möglichen Gefechte um Bagdad. „Warum sollten die USA und Israel uns ausgerechnet dann entgegenkommen?“

Auch Dr. Abd al-Jawwad hält nichts von dem Gerücht, das Pentagon werde sich zuerst Bagdads annehmen und anschließend der jüdischen Siedlungen. „Wir bekommen unterschiedliche Nachrichten aus dem Weißen Haus“, sagt er. Wenn die USA den israelisch-palästinensischen Konflikt tatsächlich hätten beilegen wollen, dann wäre das auch ohne einen Krieg längst möglich gewesen.