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Archiv-Artikel

FRAUEN VERDIENEN WENIGER: FEMINISTISCHE KLAGEN SIND WENIG HILFREICH Fordern statt meckern

Diesmal wird die schlechte Nachricht geschmackvoll zum Internationalen Frauentag serviert: In Deutschland haben Frauen auch im Jahr 2002 rund 30 Prozent weniger als Männer verdient, so das Statistische Bundesamt. Zum 8. März wird der Chor wieder vielstimmig ertönen, von Sozialdemokratinnen bis zu feministischen Archiven: Dass Frauen schlechter bezahlt werden, ist ein weiterer Beweis für das universale, weiterhin zu bekämpfende Patriarchat.

De facto handelt es sich aber um eine politische Zahl, die man ausrangieren sollte. Oder findet es jemand skandalös, dass weniger gut Ausgebildete schlechter verdienen als besser Ausgebildete? Oder dass einer, der weniger Überstunden macht, auch weniger Geld bekommt? Nein, diese Lohnunterschiede werden akzeptiert. Sie machen aber einen großen Teil ebenjener 30 Prozent aus, die so kampagnentauglich scheinen. Dazu arbeiten viele Frauen in Branchen, in denen generell weniger Lohn gezahlt wird. Darin steckt sicher ein Teil mittelbarer Diskriminierung – skandalös ist es nicht. Und noch nicht mal die verbleibenden 10 bis 15 Prozent können als manifeste Lohndiskriminierung durchgehen: Unstete Erwerbsverläufe von Frauen führen dazu, dass sie trotz guter Ausbildung nicht so schnell aufsteigen wie Männer. Was als manifeste Lohndiskriminierung übrig bleibt, ist keine imposante Zahl mehr, mit der sich gut Plakatpolitik machen ließe.

Die Aktivistinnen hätten also einiges gewonnen, würden sie differenziertere Zahlen verwenden. Der feminismusmüde oder antifeministische Reflex, der auf die Konstruiertheit ihrer Horrorzahlen hinweist, hätte keine Nahrung mehr. Zudem könnten Pauschalanklagen konkreten Forderungen weichen: Der Ausbau der Kinderbetreuung durch Institutionen und Väter ist nur eine davon – wenn auch die mit Abstand wichtigste. Eine andere wäre, die Arbeitsbewertungsverfahren, aus denen die unterschiedlichen Löhne für typische Männer- und typische Frauenjobs entstehen, zu überprüfen – eine handfeste Forderung an die Tarifparteien also. Zudem sollte die „Frauen in Männerberufe“-Kampagne überprüft werden: Nirgends ist der Lohnunterschied so hoch wie in der Männerbranche Hoch- und Tiefbau.

Und wenn man das alles genug analysiert und angeprangert hat, könnte man sich auch mal zurücklehnen und sich genüsslich zwei Zahlen zu Gemüte führen: 1957 betrug die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen 42 Prozent. Und heute verdienen die 20- bis 30-jährigen jungen Damen im Schnitt nur noch 10 Prozent weniger als gleichaltrige Männer – und das ist die unbereinigte Zahl.

HEIDE OESTREICH