piwik no script img

Archiv-Artikel

Die dicke, fette Extrawurst

Wie der FC Bayern sich durch einen Geheimvertrag mit Kirch 40 Millionen Mark dazuverdient hat – vorbei an der Öffentlichkeit und den anderen Vereinen

aus München THOMAS BECKER

Das auch noch: Der Berliner Rechtsanwalt Bert Handschumacher hat die Verantwortlichen der FC Bayern München AG und der KirchMedia wegen verdeckter Schmiergeldzahlung angezeigt. Auch ein konkurrierender Bundesliga-Klub wollte die Bayern verklagen, sollte es sich bei dem, was die Münchner getan haben, tatsächlich um Wettbewerbsverzerrung handeln.

Was andere zu juristischen Mitteln greifen lässt, entlockt dem Rekordmeister nur sechs dünne Zeilen: „Es gab einen Vertrag zwischen dem FC Bayern München und der Kirch-Gruppe, in dem – wie bei anderen Bundesligavereinen ebenfalls üblich – umfangreiche Vermarktungsrechte des Klubs übertragen wurden. Dieser Vertrag wurde im Dezember 2002 aufgehoben. Weitere Stellungnahmen der FC Bayern München AG wird es zu diesem Thema vorläufig nicht geben.“

Der Geheimvertrag

Der Geheimvertrag und sein Hintergrund: Die TV-Berichte über die Bundesliga werden von der Deutschen Fußball Liga (DFL), einem Ableger des DFB, verkauft, was jedem der 36 Profiklubs 4 Millionen Euro pro Saison garantiert. Dazu kommen vom Tabellenstand abhängige Prämien. Im Vergleich zur europäischen Konkurrenz nehmen sich diese DFL-Beträge eher mager aus.

Laut einem Bericht des manager magazin soll nun der FC Bayern von Kirch zusätzlich 40 Millionen Mark „für eine exklusive Zusammenarbeit“ eingestrichen haben. Im Gegenzug verwarf der Branchenführer vor mehr als drei Jahren seinen seit langer Zeit und von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge stets lautstark propagierten Plan vom Ausstieg aus der zentralen TV-Vermarktung der Bundesliga, schwenkte bei einer Versammlung aller Profiklubs im November 1999 ins andere Lager und unterstützte fortan die Idee, dass die Kirch-Gruppe – sprich: Premiere und Sat.1 – auch für die nächsten Jahre den Zuschlag erhält.

Auf 18 Seiten hielt man im Dezember 1999, also nach Abschluss des Vertrags über die Zentralvermarktung, die geheime Absprache fest. Die Unterzeichner: Hoeneß, Bayern-Vorstand Karl Hopfner, Expräsident Fritz Scherer sowie die damaligen Kirch-Manager Dieter Hahn und Stefan Ziffzer.

KirchMedia sicherte dem FCB in den ersten drei Jahren jeweils einen Ausgleich von bis zu 30 Millionen Mark zu. Von der Saison 2003/04 an wären gar bis zu 50 Millionen Mark pro Saison fällig gewesen. Tatsächlich überwies Kirch für die Spielzeiten 2000/01 und 2001/02 rund 40 Millionen Mark an die Bayern – bis zur Pleite der Kirch-Gruppe.

Von deren Seite ist jetzt noch so einiges zu hören. Während Ziffzer lieber „keinen Kommentar“ abgeben wollte, wird von einem „ehemals engen Kirch-Mitarbeiter“ kolportiert, Hoeneß sei Ende 1999 „tagtäglich“ im Hause des Medienunternehmers „ein- und ausgegangen“. Die Bayern seien zudem der einzige Bundesligaverein, mit dem Kirch einen derartigen Deal geschlossen habe. Der Grund für die Zahlungen sei vor allem gewesen, dass das Unternehmen die Meinungsmacht des Rekordmeisters gefürchtet habe. In einem Interview mit dem kicker sagte der ehemalige Kirch-Vize Hahn: „Wir wollten die Rechte sicher haben. Und wir hätten auch einen eigenen Kanal mit den Bayern gemacht.“ Summen wollte er nicht nennen. „Aber es waren schon substanzielle Verträge. Uli Hoeneß war noch nie billig.“

Beim FC Bayern schickt man nun den Vizepräsidenten und Schatzmeister vor: Fritz Scherer. Hoeneß selbst ist für ein offizielles Statement wahrscheinlich noch nicht auf Betriebstemperatur abgekühlt und kocht noch vor Wut wegen des ans Licht gekommenen Deals. Scherer sagte, der FC Bayern wolle zur Aufklärung der „Kirch-Affäre“ mit der DFL zusammenarbeiten und den Vertrag offenlegen. „Wir sind bereit, der DFL Einsicht zu gewähren.“ Die DFL will prüfen, „ob der Liga durch diesen Vertrag ein materieller Schaden entstanden ist oder ob es sich um einen Vermarktungsvertrag handelt, der in seiner Ausgestaltung eindeutig in der Hoheit des Vereins lag“, sagte deren Geschäftsführer Michael Pfad. Davon ist Bayern-Vize Scherer überzeugt: „Unsere Strategie brauchen wir nicht zu erläutern. Das geht niemanden etwas an. Vom Rechtlichen her ist die Sache klar: Das sind Einnahmen unserer Sport-Werbe GmbH, und die sind nicht veröffentlichungspflichtig.“ Es sei „nichts schwarz bezahlt und gegen kein Gesetz verstoßen worden“.

Bayern-Präsident Beckenbauer gab sich gewohnt lapidar und franzelte noch am Champions-League-Mittwochabend via Premiere (Kirch!) aus Madrid: „Es gab diesen Vertrag mit der Kirch-Gruppe. Damals haben wir über eine größeres Paket gesprochen und Möglichkeiten wie zum Beispiel das Bayern-TV durchgespielt. Kirch ist bei Turnieren und Freundschaftsspielen als Vermarkter aufgetreten. Ich weiß nicht, was daran ungewöhnlich sein soll, das gibt es bei anderen Klubs auch. Da fließen halt ein paar Mark.“ Details des Vertrages kenne er jedoch nicht. Sagt er.

Die Kollegen aus der Liga fühlen sich hintergangen: Leverkusens Reiner Calmund („Wenn das so stimmt, wäre das gegenüber den anderen Klubs unsolidarisch“), Nürnbergs Michael Roth („Die Bayern können das Geld nicht alleine einsacken“), Dortmunds Michael Meier („Wir können das einfach nicht glauben“), Bremens Manfred Müller („Es ist verwunderlich, rechtlich nicht angreifbar, moralisch aber zu überdenken“), Cottbus' Dieter Krein („Die haben den Rest der Liga ausgetrickst, das ist geschmacklos“), Bochums Werner Altegoer („Ein unglaublicher Vorgang“). Ein Klub soll eine Klage gegen Bayern in Erwägung ziehen. Frank Mackerodt, Aufsichtsratsmitglied des HSV, schlug gar die Aberkennung der Meistertitel vor.

Soll noch einer sagen, die Liga sei langweilig. Der FC Bayern – immer für eine Geschichte gut. Schade nur, dass es nicht um Fußball geht.