krieg als „letztes mittel“ : Schröder hat nachgegeben
Die Bereitschaft zum Kompromiss zeugt von menschlicher Reife – aber dennoch sind nicht alle Fragen für derartige Verhandlungslösungen geeignet. Es ist kein Kompromiss, wenn jemand nur aus dem 10. und nicht aus dem 20. Stock springt. Und niemand, der einen so genannten Präventivkrieg gegen den Irak grundsätzlich ablehnt, kann einen Kompromiss schließen, indem er einen solchen Krieg plötzlich doch zum letzten aller Mittel erklärt. Er hat einfach nachgegeben. Der neue, halbwegs einstimmige Kurs der Europäischen Union ist daher eine Niederlage für die Kriegsgegner, zu denen der Bundeskanzler doch gerne gezählt werden möchte.
Kommentar von BETTINA GAUS
Der Begriff „Kompromiss“ ist in diesem – ja überaus aktuellen, nicht etwa zeitlosen – Zusammenhang ein Etikettenschwindel. Den Krieg als „letztes Mittel“ zu bezeichnen bedeutet, Voraussetzungen für einen möglichen Militärschlag als legitim zu akzeptieren, die bisher von der rot-grünen Koalition abgelehnt worden sind. Sie hat somit erneut ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Vielleicht ist das Glück auf ihrer Seite, und die Widersprüchlichkeiten der Regierungsposition fallen kaum auf. Sollte es wider Erwarten nicht zu einem neuerlichen Golfkrieg kommen, dann können sich Kritiker der US-Regierung durch Teile der EU-Erklärung durchaus bestätigt sehen. Wenn der Krieg aber erst einmal begonnen hat, dann wird keine Regierung eines Nato-Staates es mehr wagen, skeptische Grundsatzfragen zu stellen. So weit reicht die Solidarität mit verbündeten Weltmächten seit Menschengedenken.
Vor allem aber wird im Falle eines Krieges der Widerspruch zwischen verbalem Protest und faktischer Unterstützung eines Krieges unübersehbar werden. Wer die Diskussion über Kriegshilfen wie Awacs-Flugzeuge, Spürpanzer und die vollständige Bewegungsfreiheit für US-Soldaten auf deutschem Gebiet für überholt hält, dürfte die Rechnung ohne die Oppositionsparteien gemacht haben.
Die Union muss der Koalition lediglich stets aufs Neue für ihren „Kurswechsel“ danken, um die Doppelbödigkeit der rot-grünen Position immer wieder deutlich zu machen. Wolfgang Schäuble hat damit bereits gestern begonnen.
Die Regierung läuft jetzt Gefahr, die Zustimmung der Bevölkerung auf dem letzten Gebiet zu verlieren, in dem sie noch die Siegerin aller Meinungsumfragen ist. Sie hätte, schon im eigenen Interesse, der EU-Erklärung nicht zustimmen sollen.