: „Ich will jedes Jahr einen Film machen“
Die Unmöglichkeit der ewigen Liebe: Oskar Roehlers neuer Film „Der alte Affe Angst“ läuft im Wettbewerb. Der Regisseur im Gespräch über Erwartungshaltungen, Humanismus und die Probleme heterosexueller Männer
taz: Herr Roehler, wie ist Ihre Definition von Kino?
Oskar Roehler: Ich denke sehr viel darüber nach. Da gibt es für mich keinen einfachen Ansatz. Die Frage ist: Wie groß muss es sein, dass man es Kino nennen kann? Ich finde Lösungen, aber es sind immer wieder andere.
Vielleicht ist es lästig, darauf festgenagelt zu werden, aber „Die Unberührbare“ hat Sie zu einem Hoffnungsträger des deutschen Films gemacht. Der Film hat ja eine Art Versprechen gegeben, das in einer Emotionalität, Schlüssigkeit und atmosphärischen Dichte bestand – in vielen Dingen also, die sich in „Der alte Affe Angst“ so nicht finden.
Ich glaube, dass es ganz viele Ansätze gibt, die man verfolgen kann, wenn man Filme macht. Jeder hat andere Vorbilder. Es gibt in Deutschland keine Industrie, wir haben nicht einmal eine Tradition. Jeder sucht sich seine drei, vier Leute zusammen, die in ihm den Wunsch wachrufen, selbst einen Kinofilm zu machen. So werden Gedanken und Ideen weitergegeben. Ich weiß jetzt auch nicht, was Ihnen an meinem neuen Film fehlt?
Ich würde vielleicht zunächst das für mich Positive herausheben. Ich finde die Offenheit und Verletzbarkeit, die Sie zeigen, großartig – und dass Sie in der Perspektive Ihrer eigenen Altersgruppe bleiben. Aber es gibt da eine Zerfahrenheit …
Ich bin jemand, der sich vorgenommen hat, jedes Jahr einen Film zu machen. Das hat mir meiner Motorik zu tun, ich kann nicht jahrelang über einem Skript sitzen und das dann die nächsten fünf Jahre verfilmen. Von daher kann es passieren, dass so ein Ding nicht fertig formuliert ist. Davon abgesehen: „Die Unberührbare“ hat eine Grundästhetik vorausgesetzt, die sich auch aus dem Rückblick auf eine bestimmte Zeit, eine bestimmte Generation von Leuten und menschliche Zusammenhänge ergeben hat. Ob darin mehr Kraft steckt, als wenn du einen Film macht, der den Blick ganz direkt auf einen Kampf, eine innere Verzweiflung und ein Schlachtfeld richtet, weiß ich nicht. Das sind zwei verschiedene Dinge. Dass du dich da anderer Mittel bedienst, ist klar. Der „Alte Affe“ ist ruppiger.
Die männliche Perspektive zieht einen Rattenschwanz an Problemen nach sich: das Verhältnis zur Frau.
Es gab vielleicht Rhythmusprobleme am Anfang, weil ich viel vom Vater rausgenommen habe. Ursprünglich sollte das eine Chronik der laufenden Ereignisse eines sehr bewegten Jahres werden. Der Film war eher skizzenhaft angelegt, bis mir klar geworden ist, dass mir nur die Liebesgeschichte wirklich wichtig ist. Was mit der Frau passiert, ihr Niedergang und der Verlust des Vertrauens, das war für mich eher ein überraschender Moment, in dem sich noch einmal ein Tor geöffnet hat. Ich wollte den Film immer realistisch halten, aber dann ist das abgedreht und wurde für mich auch zu einer emotionalen Rosskur.
Die Probleme setzt der Mann in die Welt. Es sind seine Kämpfe, und die Frau wird – auf manchmal beängstigend überdrehte Art – darauf festgelegt, das monogame Liebesmodell zu wollen.
Das ist ja das Problem von uns heterosexuellen Männern, dass wir uns meistens mit einer Frau liieren, der wir ewige Liebe schwören und das andererseits nur von hier bis hier durchhalten können. Ich hätte natürlich auch das französische Modell wählen können: Mit einem analytischen Blick zu sondieren, wie funktioniert das Liebesverhältnis zwischen Mann und Frau. Aber das wollte ich aber nicht. Ich wollte einen ganz rohen Film machen, das Bekenntnis zu einer gemeinsamen Liebe, die offensichtlich da ist.
Damit ist man aber schnell im Reich von Tom Tykwer, der ja auch immer mit ätherischen Liebesmodellen hantiert.
Da muss ich aber auch sagen, dass auf meine Filme die Frauen ganz anders reagieren … es gibt eine andere Hingabe an diese Emotionen und eine völlige Identifikation mit der Frau.
Kann man sich, wenn man vom Mann spricht, nicht darauf beschränken – ohne die antipodische Zuschaltung einer noch dazu suizidalen Frau? Sozusagen „Die Unberührbare“ als ein nach Berührung süchtiger Mann?
Das sind so Filme, die kriegt man nicht finanziert … mir ging es um die innere – männliche – Zerrissenheit, etwas, was viele kennen, die nicht klarkommen mit ihrem promisken Sexualverhalten, sich aber zu einer Partnerschaft bekannt haben, so weit, dass sie den anderen völlig von sich abhängig gemacht haben.
Wo hört aber das Realistische auf und fängt das Drehbuchmäßige an? Das Thema wird außerdem aufgeladen durch Aids und eine gewisse sexuelle Drastik. Am Anfang erwartet man eher das Gegenteil eines Liebesfilms.
Für mich ist das wirklich die Darstellung eines allgemeinen Dilemmas. Dass man auf so viele Sachen nicht verzichten kann, von denen mal einmal geglaubt hat, sie ablegen zu können. Dazu gehört ein gewisser Humanismus, dazu gehört auch der Glaube, Dinge, ohne die sich unsere Gesellschaft in ein völlig nihilistisches Gebilde verwandeln wird. Auch an die Liebe mit einer einzigen Person glauben zu wollen und bis zu einem gewissen Grade das Versprechen einzulösen, das war für mich der Inhalt des Films. Es ist eine existenzielle Entscheidung, bei der Frau bleiben zu wollen. Der Mann würde sich sonst nie verändern, er ist extrem festgelegt und auf seine Art auch hilfsbedürftig.
INTERVIEW: MANFRED HERMES
Heute, 16.30 Uhr, Berlinale Palast; morgen, 9.30 Uhr und 23.30 Uhr, Royal Palast, 20 Uhr, International