: Schnüffeln in der Freizeit
Verfassungsschutz stellt Bericht 2006 vor. Fazit: Islamisten sind gefährlich, Rechtsextreme nicht, Globalisierungs-Gegner nicht zu fassen und die PDS ist langweilig. Deshalb sucht er freie Mitarbeiter
Von KAI VON APPEN
Hamburgs Verfassungsschutz (VS) sucht Hobby-Spitzel. Unter einer Hotline nehmen die Schlapphüte ab sofort Hinweise aus der Bevölkerung entgegen, um diese mit „nachrichtendienstlichen Mitteln“ aufzuarbeiten. „Das hat nichts mit Denunziantentum zu tun, wenn man eine Beobachtung macht und diese weitergibt“, verteidigte Innensenator Udo Nagel (parteilos) gestern die Maßnahme bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2006. „Wer nichts tut, macht mit“, sagt Nagel. Der Hamburger Geheimdienst sei ein „entscheidendes Instrument, um Gefahren zu erkennen“.
Im Zusammenhang mit den bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm und der Außenministerkonferenz in Hamburg stehen auf Interessenskala des VS momentan militante Globalisierungsgegner ganz oben. Im vorigen Jahr rechnete der VS dieser Szene neun Brandanschläge zu. „Bisher waren die Sicherheitsbehörden nicht so erfolgreich, wie wir uns das gewünscht hätten“, räumte VS-Chef Heino Vahldieck (CDU) ein. Die Täter seien „kleine abgeschottete Gruppierungen“, die „wie Profis“ agierten. „Kriminaltechnisch verwertbare Spuren“ würden dabei nicht hinterlassen werden.
Der VS-Chef geht davon aus, dass für die kommenden Wochen „weitere Aktionen geplant sind und durchgeführt werden“. Nagel forderte deshalb die Medien auf, über solche Aktionen „nicht ausufernd“ zu berichtet, weil es die Akteure nur in ihrem Handeln beflügele. Er sei jedoch „positiv gestimmt, bald Ermittlungsergebnisse präsentieren zu können“.
Nach dem Brandanschlag auf Finanz-Staatssekretär Thomas Mirow (SPD) Ende des vorigen Jahres ermittelt eine Sonderkommission der Polizei mit der Allzweckwaffe §129a StGB ( „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“). Dabei setzt sie nach taz-Informationen auf Telefon-, Mail- und Handy-Überwachung sowie auf Ortung von Handys und GPS-angezapften Pkws.
Ansonsten, so stellt der VS fest, bewege sich die linke Szene in der Hansestadt mit 1.500 Menschen seit Jahren auf dem selben Niveau. Und wenn sich die Fusion von PDS und WASG zur Linkspartei weiter so „geschmeidig und geräuschlos“ vollziehe, sagte Vahldieck, verliere selbst der VS langsam das Interesse an der bislang observierten PDS.
Obwohl die Zahl rechtsextremer Straftaten im vorigen Jahr drastisch angestiegen (taz berichtete) und die Liste rechter Gewalttaten sogar um 30 Prozent auf 29 geklettert ist, sieht Vahldieck keinen Grund zur Panik. Das Gros seien „Propagandataten“ wie Hakenkreuz-Schmierereien oder Hitlergrüße gewesen. „Zu sagen, die rechte Szene ist auf dem Vormarsch, ist falsch“, sagt der CDU-Mann.
Lediglich die NPD gehe „als Sieger“ hervor, nachdem sich die Partei den „Freien Kameradschaften“ geöffnet habe und viele aus deren militanten Kadern Mitglieder geworden sind. Ob eine Rechtspartei jedoch Chancen bei den Bürgerschaftswahlen im kommenden Jahr hat, bleibt für den VS fraglich. Denn aufgrund des „Deutschlandpakts“ zwischen NPD und DVU, in Wahlkämpfen nicht konkurrierend anzutreten, tritt in Hamburg, nach dem Einzug der NPD ins Landesparlament von Mecklenburg-Vorpommern, die DVU an. „Die DVU ist politisch, organisatorisch, personell und finanziell in einem desolaten Zustand“, so Vahldiecks Fazit.
Im Zentrum des VS-Fokus steht jedoch weiterhin der Islamismus. „Da ist es uns gelungen, vertiefte Erkenntnisse zu gewinnen“, behauptete Nagel. 2.000 Islamisten lebten in Hamburg, von denen 180 nach VS-Definition als „gewaltbereit“ gelten. Dennoch stehen die beiden Moscheen an der Alster und in St. Georg weiter unter Beobachtung. Denn nach den geplanten Bombenanschlägen auf zwei Züge in Deutschland ist für Nagel klar: „Der internationale Terrorismus ist auch in Deutschland angekommen.“
Unter den wachsamen Augen der Verfassungsschützer.