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Personen

Personenführung #61: Lukas Wallraff Der begnadete Seite-1-Macher

Ein Kondenseur bitterer, lustiger, sarkastischer und ironischer Zuspitzungen.

Bild: Kathrin Windhorst

Er arbeitet für den vorderen Teil unseres Blatts, am liebsten als Seite-1-Gestalter und Themenplaner, was das ganz Aktuelle betrifft: Lukas Wallraff, Jahrgang 1970, geburtsbedingt Anhänger des tragödisch schlechten 1. FC Nürnberg und seiner zwei Kinder. Er hört gern Bruce Springsteen und hat die Deutsche Journalistenschule in München besucht.

Nun ja: Vor allem ist unser Kollege Lukas, bei der taz seit 1999, ein begnadeter Überschriftenmacher. Ein Kondenseur bitterer, lustiger, sarkastischer und ironischer Zuspitzungen.

„So wird das nix, Jogi”

Die Liste der Titel, die er gestaltet hat, ist lang und einprägsam. Schnell erinnert man sich an „Neue Sex-Regeln für Katholiken” mit den Karnickeln als potenziellen Bettgenossen, „Mia san hier” mit Uli Hoeneß' Bayernschal aus dem Gefängnisfenster, „So wird das nix, Jogi” nach dem das 7:1 gegen Brasilien, der das mediale Genörgel an der Nationalmannschaft auf die Schippe nahm, gehen auf ihn zurück.

Auch bei ernsten Dingen wie der vermeintlichen Dobrindt-Ankündigung einer „Ausländer-Maut nur in Dresden” ist es sein Mist, auf dem das wuchs. Zuletzt ließ er auf die Schland-Fans auf der Berliner Fanmeile vorsorglich schon mal Schnee rieseln: „2022 – ein Wintermärchen”.

Die Kraft des Lachens

Er sagt selbst: „Ich bin weiter gerne bei der taz, weil ich im ewigen Ringen um eine bessere Welt immer noch an die Kraft des Wortes glaube – aber vor allem auch an die Kraft des Lachens. Auf der Seite 1 der taz kann man zum Glück beides verbinden.” An die Kraft des Wortes, ganz konservativ, glaubt er auch: „Gut an der taz ist, dass wir uns ernsthaft, intensiv und konfrontativ mit politischen Positionen auseinandersetzen – auch und gerade auch untereinander, in Pro & Contras.”

Lukas Wallraff ist ein absolut zugewandt-lustiger Kollege, der sich nur zu gern aus seinem Seite-1-Kabuff im Juni beim taz-WM-Team sehen ließ – und Anekdoten zum WM-Geschehen aus Sicht seiner Kinder beitrug. Wir wollen nicht verhehlen: Da sprach ein liebender Vater auf das Ergreifendste.

Eine neue Drehung

Der typische Witz der taz, die Brechung der grauen Nachrichtensprache durch Über- oder Untertreibung, ist seine Domäne: „Ein Kollege hat das neulich 'comic relief' genannt – die Erleichterung, die bei einem überraschenden Witz über die Weltlage entsteht. Am besten ein Witz, der dem Thema auch eine neue Drehung gibt, einen neuen Gedanken.”

Das alles finden längst nicht immer alle lustig – aber genau das ist auch das Schöne an der taz und das Spezielle an diesem Kollegen: „Dass man was probieren kann, dass man ein Risiko eingehen, dass man Leute auch verärgern darf.” Bei aller Lust auf Zuspitzung und Provokation, so sagt er: „Letztlich bin ich ein harmoniebedürftiger Mensch – und deshalb auch im Redaktionsrat.”

JAN FEDDERSEN