Niedergang des Umweltministeriums : Der Zwerg der Nation
In Fridays for Future-Zeiten sind Umwelt- und Klimapolitik wichtiger denn je. Doch die zuständige Regierungsbehörde schrumpft. Wie kommt das?
von Ingo Arzt
Der 17. August 1988 ist ein leicht bewölkter Tag, bis 25 Grad, die Deutschen verfolgen die Tragödie um das Geiseldrama von Gladbeck. Kaum jemand nimmt Notiz von einer Idee, die der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer hatte und dem Magazin stern in einem Interview darlegt. Sie hätte das Land fundamental verändern können.
Der CDU-Politiker verkörperte in den Achtzigern und Neunzigern das ökologische Gewissen der konservativen Schöpfungsbewahrer. Im August vor dreißig Jahren will er Ernst machen. Er fordert ein Vetorecht für alle Entscheidungen des Bundeskabinetts. So eines, wie es der Finanzminister von jeher de facto hat, weil er das Geld verwaltet.
Er wolle das ökologische Kapital der Bundesrepublik genauso bewahren, wie die Einspruchsmöglichkeit des Finanzministers das Finanzkapital schütze, sagt Töpfer. Es ist die Zeit des Waldsterbens, des Fischsterbens im Rhein, die Zeit verdreckter Flüsse und des Schocks der Atomkatastrophe von Tschernobyl.
»Das Umweltministerium kommt immer am Ende des Entscheidungsprozesses dran. Es muss sich dann um die Umweltauswirkungen, um den Dreck kümmern, den die Wirtschaft, aber auch der Konsument hinterlassen hat«, sagt Töpfer. Er sitzt in einem Café unweit des Berliner Hauptbahnhofs, ist mittlerweile achtzig Jahre alt und hat sich Zeit genommen, obwohl er gerade mit seiner Arbeit im Nationalen Begleitgremium zu Entsorgung hochradioaktiver Abfälle ziemlich eingespannt ist. »Wir wollten einen Schritt zu auf die Vermeidung machen, wollten verhindern, dass Abfall und Umweltschäden überhaupt erst entstehen«, sagt er.
Umwelt am Anfang aller politischen Überlegungen – wo würde Deutschland heute stehen? Vielleicht wären Elektroautos Alltag, Biolandwirtschaft Norm, nicht Nische. Aber, nun gut, die Idee Töpfers ging damals unter. Er habe das Umweltveto auch nie beim Kanzler eingeklagt, befand der Spiegel damals und höhnte: Einst »strahlendes Aushängeschild für konservativ-liberales Umweltbewusstsein« habe Töpfer nichts als »heiße Luft« hervorgebracht. Ein vorschnelles Urteil. Klaus Töpfer mausert sich national und spätestens als Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Nairobi auch international zu einem geachteten Umweltpolitiker.
»Umwelt«, das ist bis heute das Credo Töpfers, sollte doch eigentlich »Schöpfung« heißen, weil der Begriff den Menschen als Teil der Natur bezeichnet – und nicht als ein Wesen, um den herum es eine »Umwelt« gibt, von der er separiert ist.
Die Ökobilanz Deutschlands ist heute eine Konsequenz dieser frühen Jahre, als man den Dreck aufkehrte, aber sich nicht an den Kern der Wirtschaft traute. In einigen Bereichen ist die Bilanz gut: 2018 gab es vierzig Prozent Ökoanteil an der ins Netz eingespeisten Nettostromerzeugung. Es ist der Bereich, in dem ein neuer Industriezweig wuchs, der aber nicht einen alten änderte oder ersetzte. Der zweite große Erfolg ist die Effizienz. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen 1990 und 2017 preisbereinigt um 43 Prozent, gleichzeitig sankt der Primärenergieverbrauch um 7,3 Prozent – es gab also Wachstum ohne mehr Energieverbrauch.
Gleichzeitig ist die Ökobilanz Deutschlands katastrophal: Der Wald befindet sich in schlechtem Zustand. Die Zahl der Insekten und Wirbeltiere ist stark zurückgegangen. Die Böden sind überdüngt. Deutschland verfehlt sein Ziel, bis 2020 seinen CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Jahrzehntelang Müll trennen, Windmühlen bauen und Bioäpfel kaufen scheinen für die Katz. Und das hat Gründe.
Phase eins – die innovative Gründerzeit
Die sehr regierungskritische taz fragt sich 1995 erstmals, ob man Helmut Kohl loben dürfe – und antwortete mutig mit: »Man darf!« Der deutsche Kanzler hat die erste Weltklimakonferenz in Bonn gerettet. Weil er dort einfach mal so versprochen hat, Deutschland werde seine CO2-Emissionen bis 2005 um ein Viertel im Vergleich zu 1990 senken. Das war geflunkert. Kohl hatte keinen Plan, wie das gehen soll. Deutschland verfehlt das Ziel später auch. In dem Moment aber war das egal.
Kohl wirkt, die damalige Umweltministerin Angela Merkel agiert geschickt und beiden ist es zu verdanken, dass die Weltgemeinschaft weiter verhandelt. Das ist der Grundstein für das erste Weltklimaabkommen, das Kyoto-Protokoll, das 1997 CO2-Minderungen für Industrieländer festlegt. Die meisten der Länder halten sich später nicht daran, die USA ratifizieren das Abkommen nie. Aber gut. Seit Kohl 1995 ist CO2-Minderung in Deutschland Staatsräson.
Kohl handelt im Sinne des Zeitgeistes. Umwelt- und Klimaschutz scheinen ohne Verzicht auf Schnitzel, Reisen oder Auto machbar. Der Umwelthistoriker Joachim Radkau schreibt über die friedenstrunkenen 1990er-Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges: »Technische Verbesserungen reduzierten Emissionen, zwischen Kritikern und Kritisierten entwickelten sich Kooperationen.« Wer den Frieden stört, den bestrafen die Wähler: Die Grünen verlangen weniger Autofahren, fordern fünf Mark für den Liter Sprit und versauen um ein Haar die Abwahl von Kohl, die sogar die Bild-Zeitung will. Die Sozialdemokraten holen im Herbst 1998 fast 41 Prozent, die Grünen nur 6,7. Aber es reicht.
Der Grüne Jürgen Trittin löst Angela Merkel als Umweltminister ab. Bis 2002 folgen Atomausstieg, die ökologische Steuerreform samt moderater Spritpreiserhöhung, ein Nationaler Klimaschutzplan und das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das ist viel Öko angesichts des Kräfteverhältnisses mit der SPD. Aber grüne Politik ist jetzt links und konservativ – blendet man den Konflikt um die Atomkraft aus. Rot-Grün übernimmt ein Land, das sich bereits als Klimaweltmeister geriert. Klaus Töpfers Verdienst ist es, dass man öko tun kann – das Land wäscht längst fleißig Joghurtbecher für die Gelbe Tonne aus.
Am 22. September 2002 gewinnt Rot-Grün erneut die Bundestagswahl. Die SPD kommt auf 38,5 Prozent, hat bundesweit nur sechstausend Stimmen mehr als die Union. Die Grünen retten Schröder die Kanzlerschaft, weil sie 1,2 Prozentpunkte mehr holen als die FDP.
Umweltminister Trittin nutzt die Kanzlerrettung für eine Stärkung seines Ministeriums. In wochenlangen Verhandlungen ringt er dem ökophoben Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energie ab. Die Abteilungen wechseln ins Umweltministerium, die Experten stehen nun unter dem Kommando einer Partei, die eine schnelle Energiewende will.
Das macht was mit der Energiepolitik. »Ich bezweifle, dass es diesen rasanten Anstieg der Erneuerbaren gegeben hätte, wenn Trittin damals nicht die Zuständigkeit für die Erneuerbaren durchgesetzt hätte. Sicherlich nicht unter Wolfgang Clement«, sagt Michael Schroeren am Telefon. Er war Sprecher des Umweltministeriums unter Trittin, Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks – nur den CDU-Minister Norbert Röttgen lässt er 2009 bis 2013 aus, weil Schwarz-Gelb den Atomausstieg zunächst rückgängig macht.
Oft sind es winzige, kreative Details, die einem Gesetz Durchschlagskraft verleihen, zum Beispiel dem Erneuerbare-Energien-Gesetz: Wer hierzulande eine Solaranlage oder Windmühle errichtet, muss sich um eines keine Sorgen machen: ob das Stromnetz die Energie auch aufnehmen kann. Die Betreiber der Stromnetze sind verpflichtet, die Anlagen anzuschließen. Dieser kleine Kniff hat den Boom des Ökostroms mit beflügelt.
Diese Idee entsteht Ende der 1990er-Jahre im Bundesumweltministerium. Dort arbeiten eher die Idealisten. Leute, die Umwelt- und Klimaschutz machen wollen, weil sie es wichtig finden. Ist dort das Thema erneuerbare Energien angesiedelt, zieht es ganz anderes Personal an als etwa im Wirtschaftsministerium. Zwar geben immer die Minister die groben Leitplanken eines Gesetzes vor. Aber die Fachleute erklären ihm, was überhaupt geht. Wer von einem Weltrettungsimpuls getrieben wird, der brieft seinen Minister anders als jemand, der halt seinen Job bis zur nächsten Beförderung macht. So zumindest beschreibt es einer, der mehrere Minister und Ministerien erlebt hat. Um zu verstehen, was ein starkes Umweltministerium erreichen kann, ist es am besten, Michael Schroeren ausführlich zuzuhören:
»In der rot-grünen Koalition befand sich das Umweltministerium auf Konfliktkurs mit den wichtigsten Industriebranchen der Republik. Mit der Energiewirtschaft wegen des Atomausstiegs und des Emissionshandels. Mit der Chemieindustrie wegen der Verschärfung der Zulassungsregeln für Chemikalien. Mit der Autoindustrie immer wieder wegen der Emissionsgrenzwerte. Mit der Agrarindustrie wegen des Naturschutzes. Bis hin zu Coca-Cola und den Brauereikonzernen wegen des Dosenpfands. Das Umweltministerium verstand sich eben nicht als Vertreter bestimmter etablierter Industrieinteressen, jedenfalls nicht primär, sondern als Anwältin von Natur, Umwelt und menschlicher Gesundheit. Da ging es immer darum, wie man Umweltpolitik durchsetzen kann, möglichst mit der Wirtschaft, notfalls aber auch gegen sie.«
In einem solchen Umfeld liefern Fachabteilungen andere Ergebnisse als etwa im Wirtschaftsministerium. Dorthin holte Sigmar Gabriel 2013 die erneuerbaren Energien zurück. Als Trostpreis bekommt das Umweltministerium die beiden Abteilungen für Bauen und Wohnen aus dem Verkehrsministerium geschenkt – es ist eine fremde Umgebung für die Bauleute.
Denn im Verkehrsministerium gebe es ein anderes Selbstverständnis, sagt Schroeren. »Dort scheint die Bereitschaft, Konflikte mit den Bau- und Autokonzernen einzugehen, ziemlich schwach entwickelt, dafür aber das Bestreben, sie im Zweifel vor zu viel Klima- oder Umweltgesetzen zu schützen, umso ausgeprägter zu sein.«
Es ist also nicht egal, welches Ministerium wofür zuständig ist. Derzeit ist das Umweltministerium unter der SPD-Frau Svenja Schulze auf die Größe von 1998 geschrumpft. Bau ging 2018 an Horst Seehofer ins Innenministerium, Manövriermasse für die Machtansprüche des damaligen CSU-Chefs. Das Umweltministerium ist mittlerweile verzwergt. »Für mich ist das ein klarer Abstieg des Themas Umwelt«, sagt Schroeren.
Phase zwei – der lange Abstieg
Dieser Abstieg beginnt im Jahr 2007. Im März gipfelt die deutsche Umweltpolitik in einem historischen Beschluss der Staats- und Regierungschefs der EU – dem 20-20-20-Ziel. Europa verpflichtete sich, bis 2020 20 Prozent weniger Klimagase als 1990 auszustoßen, 20 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu decken und die Energieeffizienz um 20 Prozent zu erhöhen. Angela Merkel, zu jener Zeit noch völlig unironisch Klimakanzlerin genannt, reist mit ihrem Umweltminister Sigmar Gabriel nach Grönland. Die beiden stellen sich auf die Reling eines Schiffes und guckten besorgt einen Eisberg an.
Dann beginnt Phase zwei der deutschen Umweltpolitik. Besser gesagt, es beginnt eine Finanzkrise. Es folgen Bankenrettung, Eurorettung, Wahlen, Weltmeisterschaft, Flüchtlinge – diese Themen dominieren die Öffentlichkeit, mit Umwelt gibt es politisch wenig zu punkten. Ruckzuck ist ein Jahrzehnt vergangen, in der es umwelt- und klimapolitisch praktisch keinerlei Innovationen gab. Hier eine EEG-Novelle, da ein halbherziges Programm für energieeffizientes Bauen, da ein Kaufprämchen für Elektrofahrzeuge. Umwelt war geprägt von negativen Erzählungen: der Niedergang der deutschen Solarindustrie, die Kosten der Energiewende, der Dieselskandal. Merkels Atomausstieg 2011 war ein politisches Plagiat des rot-grünen Ausstiegs aus dem Jahr 2000. Für relevante Umweltinnovationen hätte Merkel per Richtlinienkompetenz in das Verkehrs- oder Landwirtschaftsministerium hineinregieren und ohne politische Not eine weitere innerparteiliche Front gegen den konservativen Flügel der Union aufmachen müssen. Dazu war sie nicht bereit.
Als die SPD-Politikerin Barbara Hendricks Ende 2013 das Umweltministerium übernimmt, hat sie mit dem Verdacht zu kämpfen, »aus internem Proporz ins Kabinett gehievt worden zu sein, als Quotenfrau auf dem NRW-Ticket«, wie die taz schrieb. Die promovierte Historikerin gilt als klug und seriös, aber eben auch als Verwalterin ohne große Fantasie.
In ihrer Amtszeit gibt es mehrere Versuche, die Klimaziele von minus 40 Prozent bis 2020 noch zu erreichen. Hendricks will die Kohleverstromung eindämmen und eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Beides kann sie nicht durchsetzen. Deutschland verfehlt seine 2020-Ziele. Was für eine Blamage.
Aber woran lag es? Anruf bei Hendricks, die sich im Gegensatz zu Norbert Röttgen und Sigmar Gabriel zu ihrer Zeit im Umweltministerium äußert. »Es lag an der Verkehrspolitik, am Gebäudebestand und an der Industrie. Man könnte auch die Landwirtschaft noch anfügen«, sagt Hendricks. Außerdem führt sie einige Rahmenbedingungen an, die sich anders entwickelt hätten: Mehr Zuwanderung aus EU-Ländern, höheres Wirtschaftswachstum.
Aber vor allem eben der Verkehr. Null Emissionssenkungen seit 1990, ein Desaster, das Kanzlerin Merkel zu verantworten hat: 2013 verwässert sie in Brüssel die EU-weiten Ziele für den CO2-Ausstoß von Neuwagen. »Das bedeutete natürlich, dass in der Verkehrspolitik keine Fortschritte gemacht worden sind«, sagt Hendricks. Anschließend lässt Merkel ihrem Verkehrsminister jahrelang durchgehen, dass Autobauer den Spritverbrauch ihrer Neuwagen bis zu 40 Prozent niedriger angeben, als sie beim echten Fahren auf der Straße wirklich brauchen.
Der bisherige Tiefpunkt kommt im September 2018: Die Erniedrigung der neuen SPD-Umweltministerin Svenja Schulze. Die Ministerin muss auf Anweisung von Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier in Brüssel gegen allzu scharfe CO2-Vorgaben der Pkw-Flotten einstehen – dieses Mal für die Jahre 2021 bis 2030. Am Ende kann sich Deutschland damit nicht durchsetzen.
Am Ende bleibt nur Paris. Das Klimaschutzabkommen vom Dezember 2015 ist für Hendricks »das Highlight meiner Amtszeit«. Der Verdienst geht an US-Präsident Barack Obama, der durch ein großzügiges Klimaschutzversprechen im November 2014 China für das Abkommen gewinnt. Aber die Deutschen haben ihren Anteil an Paris. »So eindeutig, wie die Kanzlerin international hinter Klimaschutz stand, stand sie national nicht dahinter«, sagt Hendricks.
Phase drei – der neue Anlauf
Die dritte Phase der deutschen Umweltpolitik beginnt jetzt. Deutschland verhandelt ernsthaft über den Verzicht auf Arbeitsplätze, das Ende eines ganzen Industriezweigs. Und das wegen des Klimas. Das ist das Neue an der Debatte um den Kohleausstieg. Was fehlt, ist echter Umweltschutz: der Kampf gegen das Artensterben.
Es ist jetzt die Phase, in der Deutschland nicht mehr Vorreiter ist und nicht mehr agieren, sondern nur noch reagieren kann. Die Zeit des Verbrennungsmotors geht vorbei, weil Länder wie China, Frankreich, Norwegen, Großbritannien und das Silicon Valley es so machen.
Daheim kündigt Deutschland für 2019 ein Klimaschutzgesetz an. Es fußt auf den Klimaschutzplan, den Hendricks 2016 durchgeboxt hat, auch mit der Hilfe von Merkel – gegen Widerstände in der Union. Deutschland plant darin Klimaschutzziele bis ins Jahr 2050, bis spätestens 2030 sollen es zunächst mindestens minus 55 Prozent gegenüber 1990 werden. Heruntergebrochen auf einzelne Sektoren – Verkehr, Landwirtschaft, Industrie, Gebäude, Energie. Damit könnten dann einzelne Ministerien für ihr Versagen in der Klimapolitik verantwortlich gemacht werden. Der alte Irrtum aus Töpfers Zeit, dass eben das Umweltministerium Klima machen soll und der Rest mit Wirtschaftslobbyisten kuschelt, könnte doch noch Geschichte werden.
»Sektorenziele« also. Klaus Töpfer denkt seit Langem viel weiter. Wenn er sich eine Weltkarte anschaut und von Europa über das Mittelmeer nach Afrika blickt, wo er so viele Jahre gelebt hat, da sieht er: Hunderte Millionen von Menschen fordern ein Ende ihrer Armut, sie brauchen Wirtschaftswachstum, Ressourcen, Wohlstand. Das müsse gemeinschaftlich und ökologisch verantwortungsvoll mit angepasster Technik und mit der Hilfe der reichen Länder geschehen, meint Töpfer in dem Berliner Café. Aber wie das durchzusetzen sei, in einer von Renationalisierung geprägten Zeit, da ist Töpfer auch ratlos. »Wir müssen Umweltpolitik an allen Ecken und Enden global denken, sind aber konfrontiert mit einer massiven Krise des Multilateralismus«, sagt er.
Wie das ändern? Man müsse aus dem Diktat der Kurzfristigkeit ausbrechen, meint Töpfer. Sein Gedanke: »Eine neue Kultur der Verantwortung, wenn Sie so wollen: ein neuer Konservatismus.«
Wie damals, als öko links und konservativ war. Aber woher soll er kommen, der neue ökologische Konservatismus? Töpfer spricht von den dramatischen Signalen des Klimawandels, den Kämpfen um Wasser und fruchtbare Böden – diese Sichtbarkeit könne den Menschen die Augen öffnen. Vielleicht wie in den Achtzigern mit Waldsterben und Tschernobyl. »Ich habe den optimistischen Eindruck, dass auch meine Partei ernsthaft daran arbeitet, die programmatische Lücke in der Umweltpolitik kompetent zu füllen. Das wird nicht anders sein«, sagt er.
Schweigen.
Dann wiederholt er den letzten Satz nochmal. Als wolle er ihn zwingen, Realität zu werden.