Adorno und freiwilliges Bezahlen im Netz : Mut zum Widerspruch
Wir sind eine linke Tageszeitung, wir glauben an eine Welt ohne Schranken. Deshalb setzen wir auf Solidarität.
Das Richtige im Falschen gibt es nicht, sagt Adorno. Gibt es doch, so die Meinung einer Journalistikprofessorin auf dem Online-Portal kress.de: „Die taz muss sich trauen ein richtiges Bezahlsystem einzuführen. Wenn die Leser der Ansicht sind, dass die Qualität stimmt, werden sie auch dafür zahlen”, kritisierte sie.
Wir würden da ja eher Adorno zitieren und sagen, dass es das richtige Bezahlsystem nicht gibt. Wir glauben ohnehin, dass jede Zeitung ihr eigenes Modell im Austausch mit den UserInnen finden muss. Der taz ist dies mit „taz.zahl ich” bereits geglückt. Schon vor zwei Jahren haben wir mit unserer „Paywahl” versucht, die NutzerInnen von taz.de davon zu überzeugen, einen Beitrag zu bezahlen, ohne dabei ihre Mittel und Bedürfnisse außer Acht zu lassen – erfolgreich. Die Zahl der regelmäßigen ZahlerInnen stieg rasant.
Den nächsten großen Schritt zur Sicherung unseres unabhängigen Journalismus haben wir am 9. März getan. „taz.bin ich” und nicht „taz.die tageszeitung” lautete für einen Tag der Titelschriftzug unserer Zeitung. Mit dieser Aktion wollten wir darauf aufmerksam machen, dass der taz-Journalismus bezahlt werden muss, auch und gerade damit er weiterhin kostenlos im Internet gelesen werden kann. Denn nur wenn viele für die Online-Inhalte zahlen, können diese für alle kostenlos bleiben.
Ein Widerspruch? Ja, natürlich, warum soll man für etwas zahlen, das es auch kostenlos gibt. Und nein, denn die taz-LeserInnen wissen längst, dass Solidarität ein Grundmodell des taz-Geschäftsmodells ist. Nur dank der vielen AbonnentInnen, die den Politischen Abopreis zahlen, können 15.000 Menschen die taz zum ermäßigten Preis abonnieren. Nur dank der GenossInnen, die für eine „politische Rendite” ihr Geld in die Genossenschaft geben, gibt es die taz überhaupt. Warum soll es also nicht möglich sein, durch freiwilliges Bezahlen unseren Online-Auftritt auf eine wirtschaftlich solide Basis zu stellen?
Unser freiwilliges Online-Bezahlmodell ist keine Notlösung, sondern die logische Konsequenz eines politischen Grundgedanken, wenn man von Grenzen und Barrieren nicht viel hält. Besonders dann nicht, wenn sie Menschen von etwas ausschließen, was eigentlich für alle zugänglich sein könnte. Was wir im Großen kritisieren, darf im Kleinen nicht übersehen werden. Für uns zählen dazu auch Schranken im Netz.
Seit Neuestem werben wir erneut dafür – dezent unter den Artikeln und etwas deutlicher mittels Webbannern –, auf taz.de freiwillig zu bezahlen. Für einen Artikeln oder gleich für die ganze Seite, am besten regelmäßig, mit einem taz.zahl ich-Abo.
Das erste Feedback ist enorm: Neben über 800 Menschen, die sich seitdem neu registriert haben, um einen regelmäßigen Beitrag zu bezahlen, erreichte uns eine Masse an Vorschlägen. Menschen, die uns fragen ob sie ihr Printabo erhöhen oder sich zusätzlich einen taz.zahl ich-Beitrag leisten sollen. WGs die sich zusammentun und gemeinsam einen individuellen Beitrag ausrechnen. Menschen, die nicht einmal einen Computer besitzen, aber den Gedanken eines freien Netzes teilen und unterstützen möchten.
Das ist toll, wir sind überwältigt von unserer Community, und darum möchten wir auch weiterhin auf sie eingehen – melden Sie sich, fragen Sie nach, rufen Sie an. Denn mit überzeugten taz.zahl ich-Mitgliedern schaffen wir es auch in Zukunft, taz.de frei, kostenlos und solidarisch für alle zu halten. Unser Ziel: No Borders – auch im Netz!
STEFANIE BAUMEISTER