: Tunnelblick bei Schwarz-Grün
Altonas schwarz-grüne Koalition will 350 Kleingärten auf einen geplanten Autobahndeckel nördlich des Elbtunnels verlegen. Der Verkaufserlös der Grundstücke soll Lärmschutz an der A 7 finanzieren
VON MARCO CARINI
Sie war schon fast vom Tisch – nun ist sie aktueller denn je: die Umsiedlung von mehreren hundert Altonaer Kleingärtnern auf den geplanten Lärmschutzdeckel auf der Autobahn 7. Die schwarz-grüne Koalition in Altona plant zurzeit unter Hochdruck die Verlagerung von 350 Parzellen, um die Autobahn zwischen Elbtunnel und Volkspark komplett zu übertunneln. Die Entscheidung darüber soll noch in diesem Jahr fallen.
Am 21. Dezember vorigen Jahres hatte das Bundesverkehrsministerium Hamburg als verfrühtes Weihnachtsgeschenk 150 Zusatz-Millionen für Lärmschutzmaßnahmen zwischen Othmarschen und Stellingen zugesagt. Eine Verlegung angrenzender Kleingärten auf den neuen Deckel aus finanziellen Gründen schien nicht mehr notwendig.
Doch mit den Bundesmitteln ist nur eine Deckelung der Autobahn von insgesamt 1,7 Kilometern möglich, davon 730 Meter rund um den Autobahnanschluss Bahrenfeld und weitere 950 Meter zwischen Güterumgehungsbahn und Kieler Straße in Stellingen. In Othmarschen soll nur eine 500 Meter lange „Lärmschutzgalerie“ Elbtunnel und Autobahndeckel verbinden, in Stellingen sind lediglich Lärmschutzwände vorgesehen.
Die schwarz-grüne Koalition in Altona aber träumt von einem durchgehenden Deckelbauwerk zwischen Othmarschen und Volkspark, um die Zerschneidung der Stadtteile durch die Autobahntrasse, die bis 2015 noch um zwei Spuren verbreitert werden soll, der Vergangenheit angehören zu lassen. Doch die Komplettlösung würde nach Berechnung der Koalitionäre noch einmal 127 Millionen Euro zusätzlich verschlingen.
Von der neuen Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL) aber erhielt die Altonaer Regierungsmannschaft eine klare Ansage: Ihre Behörde werde sich nicht gegen eine Deckelverlängerung sperren, die Zusatzkosten aber müsse der Bezirk vollständig aufbringen. Die einzige Möglichkeit ist, angrenzende Sportplätze, Grünanlagen und Kleingärten auf den Deckel – auf dem Wohnungsbau nicht möglich ist – zu verlagern und die so frei werdenden Flächen als Baugrundstücke an Investoren zu verkaufen.
Seit einem Monat suchen die Koalitionspartner nun nach Nutzungen, die auf den Deckel verlagert werden können. Geplant sind zwei Tennisanlagen und mehrere Fußballplätze, etwa die der Schule Trenknerweg oder die des Bahrenfelder Sport-Vereins, zumindest teilweise auf den Deckel zu verlagern. Angedacht ist auch, den Lutherpark zwischen Wittenbergstraße und Holstenkamp sowie eine weitere Grünanlage in Richtung Deckel zu verlagern und die Ursprungsflächen zumindest teilweise zu bebauen. Doch „all diese Maßnahmen zusammen“, weiß der Altonaer CDU-Sprecher Sven Hielscher, „bringen nur ein paar hundert Meter Deckel mehr.“
Das Gros der fehlenden 127 Millionen Euro aber kann nur durch die Verlagerung von etwa 350 Kleingärten aufgebracht werden,die sich in der Nähe der Autobahn befinden. Im Visier der Koalition: Die an den Volkspark angrenzenden Schreberparzellen, die rund um die Asklepios-Klinik Altona liegenden Gärten und weitere Kleingartenvereine in der näheren Umgebung.
Rund 800 Kleingärten kommen für eine Verlagerung in Frage, schätzt Rainer Scholz, Sprecher von „Apfelbaum braucht Wurzelraum (ABW)“. Diese Bürgerinitiative der bedrohten Schrebergärtner kämpft gegen die Verlagerung ihrer grünen Oasen, weil durch die Planungen der Altonaer Politiker „weit mehr Grünflächen versiegelt und zubetoniert“ würden als auf dem Autobahndeckel neu entstehen könnten.
Zudem sei auf der dünnen Erdschicht, die der Tunnelbau tragen könne, „nur ein Bewuchs von der Qualität einer Balkonbepflanzung“ möglich. In den gewachsenen Schrebersiedlungen aber würde ein dichter Baumbewuchs für eine ökologische und klimaregulierende Qualität stehen.
Die Altonaer Koalitionäre aber schreckt der zu erwartende Widerstand der Kleingärtner nicht. Die Planungen laufen auf Hochtouren, denn schon im Herbst muss das Verlagerungskonzept komplett stehen und von der Bezirksversammlung abgesegnet werden. Spätestens zum Ende dieses Jahres müssen die Pläne der Stadtentwicklungsbehörde zugegangen sein, damit diese sie prüfen und mit dem Bundesverkehrsministerium und der Planungsgesellschaft Deges abstimmen kann.
„Wir wollen bis Jahresende eine entscheidungsreife Vorlage für Senat und Bürgerschaft erarbeiten,“ sagt Behördensprecherin Helma Krstanoski über den engen Zeitplan. Keineswegs verhehlt sie dabei, dass auch die Stadt liebend gern „so viel Deckel wie möglich“ bauen wolle.
Schon Ende kommenden Jahres muss Anja Hajduk das Planfeststellungsverfahren und die dazu gehörigen Bebauungspläne auf den Weg bringen, um die Zeitvorgaben einzuhalten. Denn 2015 soll der Autobahnausbau samt Lärmschutzmaßnahmen abgeschlossen werden – nach einer Bauzeit von mindestens viereinhalb Jahren.