: Sieht schwierig aus, ist aber easy
KUNST Die Ausstellung „Koksen ist Achtziger“ im Showroom „Nymphius Projekte“ in der Potsdamer Straße zeigt Neo-Geo mit Imi Knoebel, John M. Armleder, Peter Halley, Gerwald Rockenschaub und John Nixon
VON JULIAN WEBER
Ein kleines schwarzes Quadrat ragt in den Raum hinein. Die Anlehnung an Kasimir Malewitchs Meisterwerk „Schwarzes Quadrat“ ist offensichtlich. Handelt es sich bei dem Zitat um Neokonstruktivismus? Bei genauerer Betrachtung werden an der schwarzen Farbe schrundige Stellen sichtbar. Die Farbschichten sind uneinheitlich aufgetragen. Der Kubus ist aus Pappkarton.
Dieser gewollt dilettantische Rückgriff auf die gegenstandslose Malerei des frühen 20. Jahrhunderts ist beispielhaft für die Ausstellung „Koksen ist Achtziger“. Auch wenn der Ausstellungstitel den längst verblassten „Miami Vice“-Exzess der Achtziger von einem Erfrischungsgetränke-Werbeslogan herbeizitiert, die Kunstwerke zeigen in eine ganz andere Richtung. Man kann zunächst nicht genau erkennen, ob es sich um Kopien oder Originale handelt. Geometrische Formen dominieren in verschiedenen Variationen. Anders als die Konstruktivisten arbeiteten Künstler wie Imi Knoebel, John M. Armleder, Peter Halley oder Gerwald Rockenschaub in den Achtzigern nicht am Küchentisch, schufen aber trotzdem kleine Formate, vielleicht als Absage auf die Breitwandinszenierung damaliger Künstlerfürsten. In dichter Hängung sind diese Kleinformate im Showroom „Nymphius Projekte“ zu sehen. Dass die Werke trotzdem nicht gedrängt wirken, dafür sorgen die hohen Wände.
Kunstraum an der B 1
Der Ausstellungsort findet sich im toten Winkel der Potsdamer Straße. Etwas versteckt von der Fahrbahn durch einen tiefergelegten Gehweg und steinerne Blumenkästen. „Ich wollte immer einen Raum auf der Bundesstraße 1“, sagt Friederike Nymphius. Die 42-jährige Kuratorin und gelernte Restauratorin findet die Potsdamer Straße einen geschichtsträchtigen Ort. Früher sei hier der preußische König mit seiner Kutsche aus der Stadt Richtung Potsdam gerollt. Auch ihr Showroom wird Glanz und Gloria vergangener Jahrhunderte nicht zurückbringen. Aber sein Standort zwischen dem verkehrsumtosten Schöneberger Ufer und der Lützowstraße, umgeben von leerstehenden Autohäusern und Billigsupermärkten, ist ein Lichtblick in einer ansonsten tristen Betonwüste im Westen Berlins.
Das Herzstück der Ausstellung ist ein minimalistischer Dominostein, der aussieht, als sei er mit einem Nudelholz plattgewalzt worden. Die Punkte sind Markenzeichen des Schweizer Künstlers John M. Armleder, der zunächst in einem Spätausläufer der Genfer Fluxusbewegung aktiv war. Mit seinen auf strenge Reduktion bedachten Punktbildern aus den Achtzigern schuf er einen Gegenentwurf zu Arbeiten von Soziologen wie Niklas Luhmann und ihren Forschungen medialer Informationszyklen und Bilderströme. Armleders Punktbilder verweigern Information. Sie lassen aus den aufgeladenen Inhaltsebenen diskursive Luft.
Friederike Nymphius hat über John M. Armleder an der UdK eine Dissertation geschrieben. „Koksen ist Achtziger“ ist der Versuch die kritische Auseinandersetzung mit Armleder visuell aufzuarbeiten.
Peter Halleys „Prison and Cell“-Zeichnungen auf hellem Papier stellen eine Hausfassade dar. Für Halley ist dies ein Emblem der Gesellschaft, auf der alles vernetzt ist zwischen Fenstern, Rohren, Antennen, Innen- und Außenräumen. Ein Versuch, die nackte Geometrie des Konstruktivismus aufzuladen.
Die enge Hängung der Werke lässt auch den Gedanken der Vernetzung zu. Beeinflusst von den Do-it-yourself-Ideen des Punk lud der ebenfalls vertretene australische Künstler John Nixon in den Achtziger Jahren die befreundeten Heimo Zobernig und John M. Armleder in seine Heimat ein. Eine solche Geste steht in Widerspruch zum heutigen, straff organisierten Berliner Kunstbetrieb, dem sich natürlich auch Friederike Nymphius nicht entziehen kann. Als Kuratorin arbeitet sie für verschiedene Auftraggeber, 2006 kuratierte sie etwa die Sonderausstellung des Art Forums, regelmäßig richtet sie Ausstellungen am Centre Cultural Andratx auf Mallorca aus. Trotzdem hängt ihr Herz am Showroom. „Man muss nicht simulieren, dass man toll ist. Ein kleines Budget zwingt mich, genau zu arbeiten. In vielen Dingen ist meine Kreativität proportional zum Zwang, mir Dinge einfallen zu lassen.“
Auf die Frage, was an der Ausstellung zeittypisch ist, entgegnet Friederike Nymphius: „Das Heterogene. Die Kunst sieht aus, als ob sie schwierig wäre, aber eigentlich ist sie easy. Genau, wie der Verlauf von 2010.“
■ „Koksen ist Achtziger“, Gruppenausstellung, Nymphius Projekte, Potsdamer Str. 70, bis 15. Dezember: www.nymphiusprojekte.de