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Archiv-Artikel

Robuste Räume für heute und morgen

ARCHITEKTUR Wie bleiben frühere Nutzungen im Neubau sichtbar? Zu einer Diskussion im HBC

Kurz wollte man meckern, weil doch alles nur für die Reichen ist

Das HBC in der Karl-Liebknecht-Straße war proppenvoll am Donnerstagabend. Arch+, die Zeitschrift für Architektur und Städtebau, hatte den Architekturjounalisten und Kurator Florian Heilmeyer sowie Vertreter von zehn Berliner Architekturbüros zum Vortragen und Diskutieren eingeladen. In seinem Beitrag „Raumrohlinge“ für die Märzausgabe der Zeitschrift beschrieb Heilmeyer, wie sich in Berlin aus einer Praxis der Aneignung eine architektonische Strategie entwickelt hat, „die aus dem Provisorischen und Improvisierten gelernt hat, wie man Räume auch mit wenig Mitteln programmieren kann – und die daraus gewisse, fantasievolle Glücksmomente entwickelt. […] Eine Architektur, die das Provisorische nicht als leere Kulisse der 1990er Jahre rekonstruiert, sondern spezifische und robuste Räume für heute und morgen schafft.“

Ein bisschen klang das zunächst nach dem zu Tode zitierten Berlin-ist-immer-im-Werden, auch wenn es in seinem lichtbildgestützten Vortrag viel um Rückbau ging und darum, in der Architektur der oft von jungen Architekten betriebenen berühmten Clubs verschiedene Geschichtsstufen sichtbar zu machen. Im Eingangsraum des HBC – selber ja ein wunderbarer Ort, in dem die Geschichte lebendig ist – saß man im Schneidersitz vor der Leinwand, sah und hörte dem Architekturjournalisten zu, der im überfüllten Veranstaltungssaal von seinem Laptop ablas. Dachte an die Zeit vor 20 Jahren, als einem das so aufgefallen war, dass im Westen die Spuren der Geschichte abgeschliffen waren, während sie im Osten eine Weile, notgedrungen auch, lebendig war. Der Krieg vor allem. Verfall und Einschusslöcher.

Während Heilmann anhand verschiedener Gebäude zeigte, wie in den Neugestaltungen versucht wird, vergangene Nutzungen kenntlich zu machen, dachte man an Wohnungsrenovierungen; an die vielen Tapetenschichten, die man ganz vorsichtig abgerissen hatte, aus Neugier darauf, wie die vormaligen Bewohner gewohnt hatten. An die konsequent komplett durchgedrehten Sachen, die zum Vorschein kamen, bevor man sie wieder wegmachte, weil man die eigene Wohnung ja leider nicht einer „Umnutzung im kulturellen Kontext“ zuführen wollte.

Manchmal war man neidisch, wenn man Bilder von Jonathan Meeses schöner Atelierwohnung sah, manchmal überlegte man, ob sich das Konzept einer „minimalinvasiven Architektur mit Glücksmomenten“ therapeutisch auch auf das eigene Leben anwenden ließe. Kurz wollte man meckern, weil doch alles nur für die Reichen ist, dann wurde auch das noch mal kurz thematisiert: Für finanzschwache Mieter kann man nichts bauen, weil es keinen sozialen Wohnungsbau in Berlin mehr gibt. Die anschließenden Diskussionsrunden plätscherten angenehm vor sich hin. Ich dachte an meine Exmitbewohnerin, die mal bei Sauerbruch & Hutton ein Praktikum gemacht hatte und jeden Abend von der Arbeit mit leckerem Kantinenessen zurückgekommen war. Das Berlinheft von Arch+ ist, glaube ich, ganz interessant geworden.

DETLEF KUHLBRODT