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Archiv-Artikel

Bau von CO2-Waschanlage verschoben

KLIMASCHUTZ Norwegen stoppt Pläne für das weltgrößte Projekt zur Abscheidung und Lagerung des Treibhausgases. Begründung: Die Technik sei nicht fertig, die Kostenprognosen hätten sich vervielfacht

Jetzt will die Regierung mehr Verschmutzungsrechte kaufen

STOCKHOLM taz | Die weltweit größte Pilotanlage zur Abscheidung und Lagerung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) wird vorerst nicht gebaut. Die norwegische Regierung hat vor Kurzem den Start eines CCS-Projekts (Carbon Dioxide Capture and Storage) beim Gaskraftwerk in Mongstad auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Die Anlage sollte eigentlich in diesem Jahr in Betrieb gehen.

Die CCS-Technik werde für Norwegen das werden, was das Mondlandeprojekt einmal für die USA war, hatte Norwegens sozialdemokratischer Ministerpräsident Jens Stoltenberg vor drei Jahren stolz verkündet. Die CO2-Lagerung galt als Meilenstein auf dem Weg zum „ersten Null-Emissions-Staat der Welt“, der Norwegen bis spätestens 2050 werden will.

Wegen Problemen bei der Umsetzung der CCS-Technik wurden die Versprechen schon vor zwei Jahren erstmals revidiert: Das neue Gaskraftwerk sollte nun auch ohne diese Technik betrieben werden dürfen und damit jährlich zusätzlich 1,3 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre blasen. Aber nur bis 2014.

Nun gilt auch diese zeitliche Beschränkung nicht mehr. Oslo will in der bis 2013 laufenden Legislaturperiode über die bereits verbrauchten rund 1 Milliarde Euro an Entwicklungskosten hinaus überhaupt keine neuen Gelder für das CCS-Projekt zur Verfügung stellen und nicht einmal einen entsprechenden Investitionsbeschluss fassen. Darüber solle erst später das neu gewählte Parlament entscheiden. Die Mongstad-Reinigung könnte dann frühestens 2018 bis 2020 in Betrieb gehen. Wenn überhaupt. Begründung: Die Technik sei nicht fertig, die mutmaßlichen Investitionskosten hätten sich vervielfacht, und es müssten erst einmal andere Prioritäten gesetzt werden. „Alles ist viel komplizierter, als wir das vor vier Jahren angenommen hatten“, sagt Cathrine Torp, Informationschefin des staatlichen Ölkonzerns Statoil, der federführend für die Umsetzung des Projekts ist.

„Ein Dolch in den Rücken“ ist das für Marius Holm, Vizechef der Umweltorganisation Bellona. Im Gegensatz zu den meisten anderen Umweltverbänden glaubte sie bislang an die Möglichkeiten der CCS-Technik. Kurt Oddekalv, Vorsitzender der Naturschutzorganisation Miljøvernforbundet, von Anfang an ein CCS-Skeptiker und 52 Jahre alt: „Solange ich lebe, wird diese Technik nicht verwirklicht. CO2-freie Gaskraftwerke sind eine Unmöglichkeit. Da bin ich sicher.“ Die politische Opposition wirft der rot-rot-grünen Koalition „Betrug“ vor, und Ola Elvevold von der Umweltorganisation Natur og Ungdom meint, diese Regierung produziere vorwiegend heiße Luft: In der Klimapolitik habe das Land jetzt zwei Legislaturperioden verschleudert.

Statt seinen CO2-Ausstoß zu senken, hat Norwegen diesen im Vergleich zu 1990 nun um 11 Prozent gesteigert. Öl- und Energieminister Terje Riis-Johansen kündigte an, anstelle der jetzt gestrichenen Reduktionsbemühungen durch das CCS-Projekt werde Oslo in entsprechendem Umfang auf dem Klimaquotenmarkt Verschmutzungsrechte kaufen. REINHARD WOLFF