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Archiv-Artikel

Sozialistische Verschwörung gegen die Männer

GESCHLECHTERKAMPF Die Herausgeber eines neuen Sammelbandes fühlen sich feministisch diskriminiert – und stilisieren sich zum Opfer in allen Lebenslagen

Das Wort „Befreiungsbewegung“ wie der Begriff „Geschlechterdemokratie“ stoßen sauer auf

Das Titelbild des Buches „Befreiungsbewegung für Männer“ ist Programm. Neben Glas-, Dosen- und Papiercontainern ist ein weiterer Müllschlucker zu sehen, auf dem groß „Männer – Der Umwelt zuliebe“ steht. Das Foto, eine Postkarte der Künstlerin Claudia Jares de Pulgar, steht nach Meinung der Autoren „für den breit geduldeten Sexismus, den das ideologisch vorgeknetete Publikum für spaßig hält, weil er sich ja nur gegen Männer richtet“.

In der Tat amüsiert sich das (gemischtgeschlechtliche) Publikum seit Jahren über Männer. Die Werbung für die aktuelle Schweißerin-Soap „Eine für alle“ tituliert sie pauschal als Schweine, dumme Gockel und lebende Verkehrshindernisse. Vom „bewegten Mann“ im Kino über die weibliche Rotzigkeit in der pseudofeministischen Unterhaltungsliteratur bis zu den Witzchen eines Mario Barth: Männlichkeit wird häufig satirisch abgewertet. Daraus aber gleich eine „etablierte Misandrie“, also allgemeinen Männerhass abzuleiten, klingt nach Verschwörungstheorie – wie so vieles in diesem Buch.

Die Herausgeber Paul Hermann Gruner und Eckhard Kuhla verstehen sich nicht nur als Publizisten, sondern auch als Aktivisten: Sie fordern „das Ende des weiblichen Geschlechtermonologs“ und eine „offensive Interessenvertretung der Männer“. Sie planen öffentliche Veranstaltungen, möchten eine politische Debatte über die vermeintlichen „Kulturverlierer“ anregen. Ein Teil ihrer Autoren treibt dabei im Fahrwasser fragwürdiger Männerrechtler, die von der „Machtergreifung der Frau“ oder einem „neuen Tugendstaat“ fabulieren und im Stil der rechtslastigen Wochenzeitung Junge Freiheit gegen „politische Korrektheit“ Stimmung machen.

Das Wort „Befreiungsbewegung“ stößt in diesem Kontext sauer auf, wie auch die Nutzung des emanzipatorischen Begriffs „Geschlechterdemokratie“ im Untertitel. Denn Autoren wie Arne Hoffmann, der in seinem Blog „Genderama“ gegen alles seiner Meinung nach Feministische Stimmung macht, oder auch Gerhard Amendt, der Opfererfahrung von Frauen als „fantasiertes Leid“ denunziert und eine weibliche „Sehnsucht nach traditioneller Männlichkeit“ ausmacht, sind alles andere als geschlechterdialogisch orientiert. Die Polemik der Männerbefreier auf die Spitze treibt Karl-Heinz Lier, ein Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Gender Mainstreaming als „Hydra im trojanischen Pferd“ geißelt. Er schimpft über „obskure Ideen“, „Umerziehungsaktionen“, „staatlich betriebene Freiheitsberaubung“ und „systematische Täuschung durch die politische Kaste“, um schließlich gar Marx und Engels als „Väter der Gender-Perspektive“ auszumachen. Die sozialistische Verschwörung gegen die Männer ist mithin schon 150 Jahre im Gange.

Ob den Autoren und Gesprächspartnern anderer, durchaus lesenswerter Beiträge – des Bildungsforschers Klaus Hurrelmann, des Therapeuten Wolfgang Schmidbauer oder des Präsidenten des Schweizer Dachverbandes maenner.ch, Markus Theunert – bewusst war, auf welches publizistische Umfeld sie sich hier eingelassen haben? Viele der angesprochenen Themen sind diskussionswürdig und wichtig – etwa die Schwierigkeiten von Jungen in der Schule, die Nachrangigkeit der Männergesundheit trotz geringerer Lebenserwartung und die Tabuisierung der gegen Männer gerichteten Gewalt. Dass auf Frauenpolitik manchmal einfach nur „Gender“ geklebt wird, ist auch nicht völlig falsch. Von einer durchgehenden gesellschaftlichen Benachteiligung „der Männer“, wie sie der Grundtenor des Buches unterstellt, kann aber keine Rede sein.

Der Sozialwissenschaftler Hans-Joachim Lenz warnt für sein Spezialgebiet davor, Gewalt gegen Männer „als falsches und unredliches Argument im populistisch gewendeten Geschlechterkampf zu missbrauchen“, indem „männliche Täterschaft geleugnet und entschuldigt“ oder „gar die Schließung von Frauenhäusern verlangt wird“. Ein Beispiel, das sich auf andere Bereiche übertragen lässt: Nur miteinander und nicht gegeneinander lässt sich Geschlechterdemokratie umsetzen. Dicke Bretter seien zu bohren, schreibt Lenz am Ende seines Beitrages, „beharrlich und mit Augenmaß“. Diese Mäßigung lassen zu viele Texte eines sehr heterogenen Bandes leider vermissen. THOMAS GESTERKAMP

■ Paul Hermann Gruner, Eckhard Kuhla (Hrsg.): „Befreiungsbewegung für Männer. Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie“. Psychosozial Verlag, Gießen 2009, 430 Seiten, 29,90 €