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Archiv-Artikel

„Das ist auch eine Form von Missbrauch“

LIEBE Er hat gekämpft und verloren. Douglas Wolfsperger darf seine Tochter nicht mehr sehen. Das ist ein Jahr her. Nächste Woche kommt sein neuer Film in die Kinos, er heißt „Der entsorgte Vater“

Douglas Wolfsperger

■ Leben: Douglas Wolfsperger, 51, wurde in Zürich geboren. Er wuchs am Bodensee auf, ging später nach München, Konstanz und Köln. Heute lebt er in Berlin und am Bodensee. Wolfsperger ist Vater von zwei Töchtern, die elf und sieben Jahre alt sind.

■ Arbeit: Douglas Wolfsperger ist Spiel- und Dokumentarfilmregisseur. Für „Bellaria – solange wir leben!“ (2002), über die Besucher eines Wiener Retrospektivenkinos, erhielt er zahlreiche Preise. 2005 drehte er „War’n Sie schon mal in mich verliebt?“ über Max Hansen, einen vergessenen Star der Weimarer Republik, 2006 den Film „Der lange Weg ans Licht“ über eine ostdeutsche Hebamme.

■ Film: Douglas Wolfspergers Film „Der entsorgte Vater“ kommt am Donnerstag in die Kinos. Es ist sein bislang persönlichstes Werk. www.der-entsorgte-vater.de

INTERVIEW FELIX LEE

Im Flur von Douglas Wolfspergers Berliner Wohnung steht ein Kindertretroller. Darf seine Tochter ihn doch wieder besuchen? Nein, antwortet der Regisseur, der Roller gehört seiner zweiten Tochter. Und die ist im Gegensatz zu seinem ersten Kind regelmäßig bei ihm. taz: Herr Wolfsperger, in Ihrem Film zeigen Sie Väter, die ihre Kinder nicht mehr sehen dürfen. Sie sind selbst so ein Vater. Wollen Sie Ihrer Exfreundin eins auswischen?

Douglas Wolfsperger: Mir geht es nicht um Rache. Ich möchte Strukturen aufdecken, die weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt sind. Wie kann es möglich sein, dass nach einer Trennung ein Elternteil das Kind komplett zu sich zieht und den anderen Elternteil außen vor lässt? Ich empfinde es als ein großes Unrecht.

Trotzdem liegt der Gedanke nahe, dass Sie den Film gemacht haben, um mit der Mutter Ihrer Tochter abzurechnen. Schließlich sind die meisten juristischen Mittel ausgeschöpft.

Die Idee zum Film hatte ich in einer Phase, als das Berliner Kammergericht noch sagte: Es muss ein Umgang gefunden werden, damit sich das Kind nicht von mir entfremdet. Das war 2005. Geschlagene zwei Jahre gingen ins Land, ohne dass sich beim Gericht etwas bewegte. In dieser Zeit fühlte ich eine unglaubliche Ohnmacht. Ich habe eine Therapie gemacht, weil ich einfach nicht mehr klarkam. Ich bin Filmemacher, und so habe ich diese Ohnmacht mit meinen Mitteln künstlerisch verarbeitet.

Ist das das erste Mal, dass Sie sich künstlerisch für sehr persönliche Anliegen einsetzen?

In dieser extremen Form schon. Die Themen für meine Filme hatten zwar schon immer mit mir zu tun, so nah wie in diesem Film bin ich mir aber nie gewesen. Die Dreharbeiten liefen quasi zwei Jahre lang parallel zum juristischen Verfahren, bis zu dem Beschluss, dass ich meine Tochter nicht mehr sehen darf.

Wie lange haben Sie Ihre Tochter jetzt nicht mehr gesehen?

Es ist ein Jahr her, dass meine elfjährige Tochter nach Berlin geflogen wurde und ich eine Dreiviertelstunde Zeit hatte, mich von ihr zu verabschieden.

Das heißt?

Das Berliner Kammergericht hat entschieden, dass meine Tochter „Ruhe“ braucht. Ich darf sie nicht mehr sehen.

Wie hat Ihre Tochter reagiert?

Das Schlimme war, dass sie beim Abschied überhaupt keine Regung gezeigt hat. Sie war wie versteinert. Ich meine, ich bin ihr Vater. Wir hatten eine intensive Beziehung, die einfach gekappt wurde durch die negativen Gefühle der Mutter. Ihr wurde immer eingetrichtert, bewusst oder unbewusst, dass sie mit mir nichts mehr zu tun haben darf. Und jetzt steht dieses Kind vor ihrem Vater und weiß: Der wird sich jetzt verabschieden.

Eine Dreiviertelstunde Abschied, wie geht das?

Es ist eine makabre Veranstaltung, sich als lebender Vater von seinem Kind zu verabschieden. Ich hatte einen Abschiedsbrief vorbereitet. Aber ich wusste auch, was mich erwartet. Monate zuvor hatte es einen sogenannten begleiteten Umgang gegeben. Ich durfte von Berlin nach Düsseldorf fahren, um meine Tochter in Begleitung einer Sozialarbeiterin eine Stunde lang zu sehen. Ein Fiasko. Ich musste ihr jedes Wort aus der Nase ziehen. Schon nach kurzer Zeit wusste ich nicht mehr, was ich fragen sollte. Sie war völlig zu, sie hat sich auch körperlich von mir abgewandt, als ob sie sich ekeln würde. Das tat weh.

Und so war es auch in Berlin?

Sie wirkte weniger verkrampft als bei dem Treffen zuvor. Jahrelang hatte sich ihre Mutter nie bei mir gemeldet. Nachdem das Gericht entschieden hatte, sprach sie plötzlich dreimal am Tag auf den Anrufbeantworter, um zu bereden, wie wir das mit dem letzten Besuch machen sollen. Ich habe gemerkt, wie erlöst sie war. Auch das Gefühl hatte sie auf meine Tochter übertragen.

Im Film schildern Sie nicht nur Ihren Fall, sondern lassen vier Väter mit ähnlichem Schicksal zu Wort kommen. Deren Exfrauen aber nicht. Warum?

Das hat sich erst während der Dreharbeiten ergeben. Eigentlich wollte ich beide Seiten hören. Ich wollte ergründen, warum es Mütter gibt, die so ticken, und habe mir bei allen vier Männern auch die Gegenseite angehört. In allen Fällen kam die Auflage: Wenn die eine Seite mitmacht, will die andere Seite nicht auftauchen. Ich musste mich also entscheiden.

Sie haben sich für die Väter entschieden. Meinen Sie nicht, dass die in Ihrem Film mit ein wenig mehr Objektivität glaubwürdiger rüberkämen?

Ich arbeite nicht journalistisch fürs Fernsehen, ich drehe Filme fürs Kino. Deswegen mache ich auch überhaupt keinen Hehl daraus, dass dieser Film subjektiv ist. Genauso wie es einseitig von der Rechtsprechung ist, dem Kind den Kontakt zu mir zu unterbinden, ist es doch legitim, als Filmemacher, der zugleich betroffener Vater ist, meine Sicht der Dinge darzustellen. Ich wollte eine Befindlichkeit erspüren. In diesem Fall meine eigene.

Im Film kommt eine Frau vor, die zugibt, dass der Vater ihres Kindes für sie nur der Erzeuger ist. Diese Figur kommt sehr negativ rüber.

Irgendwann hat meine Tochter mich tatsächlich Douglas genannt. Für sie war ich nur noch der, der so heißt wie die Parfümeriekette

Bei den Dreharbeiten wollte sie sich als Siegerin darstellen. Sie war stolz, dass der Vater einfach nichts mehr zu melden hat, versagt hat. Für mich war die Frau ein perfektes Psychogramm, weil sie auch verbalisiert, was sie für Vorbehalte hat.

Aber ist sie nicht ein extremes Beispiel?

Ich glaube, dass sie einfach nur ausspricht, was viele Frauen in dieser Position denken. Über den Vater weiß ich, dass er Arzt ist und kein Psychopath. Was er für sonstige Schwächen hat, kann ich nicht sagen. Ich gehe davon aus, dass die Beziehung einfach nicht funktioniert hat. Aber rechtfertigt das, dass er im Leben seines Kindes keine Rolle mehr spielen darf? Ich finde, nicht.

Hat sie den Film gesehen?

Noch nicht.

Aber sie weiß, dass sie im Film in dieser Art auftaucht?

Sie weiß, dass es den Film gibt. Und ihre beste Freundin, die praktisch bei ihr wohnt, hat ihn gesehen und fand ihn hervorragend. Die Protagonistin wird das vielleicht anders beurteilen.

Zugleich stellt sich bei den Vätern schon die Frage, wie es zur Trennung gekommen ist.

Bei aller Subjektivität des Films habe ich die Männer keineswegs als Unschuldslämmer dargestellt. Die Gründe für die Trennungen lassen sich durchaus erschließen. Wenn einer der Väter sagt: „Sie hat doch alles gehabt: Waschmaschine, Staubsauger – ich weiß nicht, was ihr gefehlt hat“, kriegt man eine gewisse Ahnung, woran die Beziehung unter anderem gescheitert sein könnte.

Dass es Väter gibt, die ihre Kinder missbrauchen und dies – empirisch belegt – deutlich häufiger tun als Mütter, ist ja nun keineswegs aus der Luft gegriffen.

Ich bezweifele gar nicht, dass es unter Vätern üble Finger gibt, und es liegt mir fern, das zu verharmlosen. Bei den Vätern im Film habe ich mir die Gerichtsakten durchgesehen und geprüft, was an den Vorwürfen dran ist. Ich kann zwar nicht hundertprozentig bezeugen, dass sie nichts verbrochen haben, mein Eindruck war jedoch, dass es vor allem in den Beziehungen gehapert hat. Zugleich weiß ich, dass der Missbrauchsvorwurf eine wirkungsvolle Waffe sein kann, um den Exmann auszuschalten. Einem der Väter in dem Film wird das vorgeworfen. Er hat zu seiner Frau gesagt: „Du kannst mir alles nehmen, nur meinen Stammtisch nicht.“ Jetzt hat sie ihm alles genommen, nur am Stammtisch kann er weiter sitzen. Dahinter steckt ja nicht nur eine unglaubliche Ironie, sondern auch Tragik. Ich finde, das erklärt mehr, als wenn ich ihn im Film ausgeklammert hätte.

Woran ist Ihre Beziehung gescheitert?

Das war genau vor neun Jahren. Wir lebten damals in Köln, ich hatte ein Filmprojekt am Bodensee. Fünf Jahre hatte ich an dem Film gearbeitet, es gab Finanzierungsprobleme, insgesamt war ich beruflich sehr eingespannt. Das alles fand in einer Zeit statt, in der ich ehrlich gesagt froh war, dass ich ein paar Wochen weg war, weil sich das Leben mit meiner Partnerin als sehr schwierig erwies. Unser gemeinsames Kind war ein Jahr alt. Wir hatten uns beide den Alltag anders vorgestellt.

Sie hat Ihnen vorgeworfen, dass Sie wegen der Arbeit nicht genug Zeit für Ihre Tochter hatten. Klingt klassisch.

Nein, unsere Beziehung ist daran gescheitert, dass wir beide zu unreif waren, um uns miteinander um das gemeinsame Kind zu kümmern. Ich hatte immer Filmprojekte, einmal im Jahr bin ich für ein paar Wochen unterwegs. Als ich mit dem Film fertig war und nach drei Monaten wieder nach Köln kam, war sie ausgezogen. Ich ließ sie wissen, dass ich mich trotz der Trennung weiter um unsere Tochter kümmern würde. Das wollte sie nicht. Sie war bereits mit einem früheren Freund von ihr zusammen, ihn hat sie ein Jahr später geheiratet. Und damit wurde ihr neuer, alter Freund sogenannter rechtlicher und sozialer Vater.

Warum das?

Wir waren nicht verheiratet, und ich hatte es versäumt, vor der Geburt das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen. Ich war da ehrlich gesagt blauäugig. Kurz nach der Hochzeit konnte ich in einem Interneteintrag von ihm lesen: „Ich bin seit Juli 2000 mit meiner Frau Stefanie verheiratet, und wir haben eine wunderbare Tochter.“ Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich das las. Spätestens da wurde mir klar, dass ich als „nur“ leiblicher Vater denkbar schlechte Karten habe. Und dann wurde alles, was ich unternahm, torpediert.

Die Rechtslage

■  Sorgerecht: Ein nichtehelicher Vater erlangt das gemeinsame Sorgerecht für sein Kind, wenn die Mutter mit einer Sorgeerklärung zustimmt und sie nicht anderweitig verheiratet ist. Diese Regelung ist Gegenstand heftiger rechtspolitischer Auseinandersetzungen.

■ Patchwork: Viele Kinder leben in Familien, in denen die Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Erfolgt die Sorgeerklärung nicht vor der Geburt und zerfällt die uneheliche Lebensgemeinschaft, sind die Chancen des Vaters, das Sorgerecht übertragen zu bekommen, sehr schlecht. Gegen den Willen der Mutter lässt es sich nicht so leicht auf den Vater übertragen.

■ Unterhalt: Unberührt davon bleibt die Pflicht des anderen Elternteils, auch für ein nichteheliches Kind Unterhalt zu zahlen.

Was meinen Sie mit „alles“?

Meine Tochter hat mit ihrer Mutter auf dem Land außerhalb von Düsseldorf gelebt. Jeden zweiten Samstag durfte ich ein paar Stunden mit ihr verbringen. Ich wollte ihr eine schöne Zeit schenken, aber in dem Kaff gab es nur wenig zu unternehmen. Ich ging mit ihr in die Eisdiele. Irgendwann bekam ich ein Schreiben von der Anwältin der Mutter, dass das Kind eine Eisallergie habe. Meine Tochter hat mir bei einem der nächsten Male gesagt, dass ich mit ihr kein Eis essen soll, weil es nachmittags bei Oma auch noch Eis gibt. Das waren zwar Kleinigkeiten – letztlich aber wurde alles torpediert, was ich mit meiner Tochter machen wollte. Ich hatte einfach keine Chance.

Es gab keine Möglichkeit, vor Gericht mehr Zeit mit Ihrer Tochter herauszuschlagen?

Es war ein ständiges Hin und Her. Anfangs hieß es, alle 14 Tage, aber diese Regelung wurde immer wieder gekippt. Ein halbes Jahr durfte ich meine Tochter gar nicht sehen, weil die Mutter behauptet hat, ich sei nicht in der Lage, mich um das Kind zu kümmern. Einmal bin ich tatsächlich ausgerastet.

Wie kam es dazu?

Es kam öfter vor, dass mir nicht die Mutter unsere Tochter an der Haustür übergab, sondern der neue Ehemann, der seine erworbene Vaterrolle schon komplett verinnerlicht hatte. Da meine Tochter natürlich durch den erlebten Alltag mit ihm Vertrauen zu ihm hatte, klammerte sie sich zunächst an sein Bein. Das riss den neuen Vater zu der Äußerung hin: „Du siehst doch, dass das Kind von dir nichts wissen will.“ Ich habe meine Tochter auf den Arm genommen und wollte losgehen. Daraufhin hat er mir Kindesentführung vorgeworfen und versucht, mich von hinten festzuhalten. Ich habe nur gedacht: Du elende Arschgeige. Er wollte mich aufhalten, ich habe kurz hinter mich getreten. Daraufhin hat er mich angezeigt und eine Bluttat daraus gemacht. Sonst wäre die Anzeige nichts wert gewesen.

Sie haben die Kontrolle über sich verloren?

Ich wurde über Monate von diesem Kerl provoziert und fühlte mich gedemütigt. Als ich hinter mich trat, weiß ich noch nicht einmal, ob ich ihn überhaupt getroffen habe. Mein Anwalt hat mir daraufhin geraten, dass ich nun Kreide fressen müsse, sonst drohe mir eine Vorbestrafung. Dann hätte ich überhaupt keine Rechte mehr gehabt. Ich musste mich bei ihm vor Gericht entschuldigen und wurde trotzdem bestraft. Bis heute trägt meine Tochter das vor Gericht als Begründung vor, weshalb sie mich nicht mehr sehen will: Ich habe ja ihren Vater getreten. Sie war damals drei. Danach haben noch viele sogenannte Umgänge stattgefunden, bei denen wir eine schöne Zeit miteinander hatten.

Wie lange hat Ihre Tochter Sie noch Papa genannt?

In den ersten Jahren hat sie mich durchgehend Papa genannt. Kurz nach der Hochzeit der Mutter traf ich den neuen Mann zum Bier. Zunächst hatten wir ein ganz nettes Gespräch. Aber dann wollte er mir weismachen, dass es doch zweckmäßig wäre, wenn meine Tochter Papa zu ihm sagt. Sie würden schließlich gemeinsame Kinder haben wollen, da sei es nicht schön, wenn ein Kind nicht Papa zu ihm sagt. Ich bin aufgestanden und gegangen. Dieser Plan von gemeinsamen Kindern hat sich im Übrigen nie erfüllt. Die beiden leben inzwischen getrennt. Auf jeden Fall hat mich meine Tochter kurze Zeit später tatsächlich Douglas genannt. Für sie war ich nur noch der, der so heißt wie die Parfümeriekette.

Das heißt: Ihre Tochter hat sich von Ihnen abgewandt.

Natürlich war es eine Zumutung für sie. Mal durften wir uns sehen, mal war der Kontakt ein halbes Jahr abgebrochen. Sie konnte ja nicht wissen, dass es nicht an mir lag, dass kein Umgang stattgefunden hat. Sie muss sich ständig gefragt haben: Wann kommt der Papa? Und wieso kommt er jetzt nicht? Das ist ja das, was mich so quält.

Wie auch immer das zustande gekommen ist, Fakt ist: Ihre Tochter möchte Sie nicht mehr sehen.

Meine Tochter war völlig zu, sie hat sich körperlich von mir abgewandt, als würde sie sich ekeln. Das tat weh

Ich habe mich intensiv mit dem sogenannten Entfremdungssyndrom beschäftigt. Und Studien belegen, dass sich in der Regel nicht das Kind von sich aus entfremdet, sondern gezielt beeinflusst wird. In meinem Fall hatte meine Tochter überhaupt keine Chance, sich selbst zu entscheiden. Sie kann ja nicht mit elf Jahren sagen: Ich gehe jetzt zum Papa. Sie muss sich mit dem Elternteil solidarisieren, bei dem sie lebt, damit sie diesen Elternteil nicht auch noch verliert. Dieses Verhalten ist auch ein typischer Bestandteil des Entfremdungssyndroms und beruht im Übrigen auch auf einer Form von Missbrauch.

Sollten Sie den Willen Ihrer Tochter nicht akzeptieren?

Ob sie tatsächlich so denkt, wäre noch zu prüfen. Im Moment hat sie gar keine andere Wahl. Meine Tochter hat vor einem Verfahrenspfleger ausgeführt, warum sie mich nicht mehr sehen will. Der hat diese Aussage eins zu eins ans Berliner Kammergericht weitergegeben mit der Konsequenz, dass ich sie nicht mehr sehen darf. Das ist ja das Skandalöse: Es bleibt Glückssache, an welchen Verfahrenspfleger und Richter man gerät. Es gibt nach wie vor eine Großzahl von Familienrichtern, denen Kinderpsychologie ein Fremdwort ist.

Die Mutter Ihrer Tochter weiß um den Film, die für Sie zuständigen Familienrichter werden ihn sicher auch sehen. Wird der Film Ihre Situation nicht noch verschlimmern?

Ach, wissen Sie, was habe ich denn noch zu verlieren? Ich habe ja keinerlei Kontakt mehr zu meiner Tochter. Sie ist entfremdet, und es werden Jahre vergehen, bis sie auf mich zukommt – wenn überhaupt. Die Mutter hat das genauso vermittelt.

Was genau wollen Sie mit dem Film dann bezwecken?

Der Film ist ein Dokument für meine Tochter, damit sie später mal sieht: Mein Papa wollte sich um mich kümmern, konnte aber nichts machen. Ich hoffe, dass sie sich irgendwann für mich interessieren wird, und zwar nicht nur, wenn sie Geldmangel hat. Das ist leider häufig der Fall: Viele Kinder im jungen Erwachsenenalter besinnen sich dann auf ihren Vater. Ich hoffe, dass meine Tochter aus anderen Beweggründen auf mich zukommt. Und so wie ich sie einschätze, halte ich das für gut möglich. Trotz allem hat sie viele Anteile von mir, und in den Zeiten, als wir uns noch regelmäßig sehen konnten, habe ich durchaus eine große Nähe gespürt. Vielleicht wird das irgendwann wieder da sein.

Haben Sie sich auch Gedanken darüber gemacht, was dieser Film zwischen ihr und ihrer Mutter auslösen könnte?

Was es genau für Auswirkungen hat, kann ich nicht sagen. Ich will meiner Tochter nicht schaden. Für mich ist der Film in erster Linie ein Dokument der Ohnmacht, dass ich ihr einfach nicht zeigen kann, wie sehr ich sie liebe. Und dass ich gerne für sie als Vater da gewesen wäre.

Felix Lee, Jahrgang 1975, ist taz-Redakteur. Eigene Kinder hat er keine, aber zwei Patenkinder. Die bekommt er regelmäßig zu Gesicht