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Archiv-Artikel

Der Pharao und seine Buchhalterin

Der Welthandball-Präsident flog auf Verbandskosten, kassierte 560.000 Franken und legte keine Belege vor

HAMBURG taz ■ Dr. Hassan Moustafa ist Präsident der Internationalen Handball-Föderation (IHF). Und ein Herr mit umstrittenem Geschäftsgebaren: Der Ägypter hat nach Recherchen dieser Zeitung und des NDR zwischen Dezember 2000, als er sein Amt antrat, und Juni 2007 für seine zahlreichen Flüge keinerlei Belege vorgelegt – und dennoch rund 560.000 Schweizer Franken für diesen Zweck aus der IHF-Kasse erhalten.

Dies bestätigte IHF-Innenrevisor Jürg Steib: „Seit ich Revisor bin, weise ich auf die unvisierten oder fehlenden Belege hin.“ Auszahlungen ohne Belege, erklärt Steib, gehörten zum Selbstverständnis des IHF-Präsidenten: „Das ist die Mentalität der Ägypter, das kann man nicht ändern.“

Moustafa selbst, konfrontiert mit den Vorwürfen, verteidigte sich: Dass Belege nötig seien, habe ihm bei Amtsantritt im Jahre 2000 „niemand gesagt“, erklärt er. Erst vor rund einem halben Jahr sei diese Praxis „plötzlich“ ein Thema geworden. Daraufhin habe er dem 17-köpfigen IHF-Council unverzüglich diesen Fall vorgelegt – und dort sei dann beschlossen worden, dass er als Präsident weiterhin ohne Belege abrechnen dürfe. „Das geht mit unseren Statuten, das hat der Kongress oder der Rat beschlossen“, versichert Moustafa.

Tatsächlich hat Moustafa versucht, sich nachträglich einen Persilschein für die fragwürdigen Barauszahlungen ausstellen zu lassen. Der entsprechende Beschluss des IHF-Councils am 17./18. Dezember 2007 besagt, dass Moustafas Reisekosten weiterhin auf Basis von Rechnungen des Reisebüros erstattet werden sollen. Allerdings: Rechnungen liegen nicht vor. Sondern lediglich maximal Kostenvoranschläge, wie Revisor Steib und die Buchhalterin der IHF, Anne Gsell, übereinstimmend erklären: Gsell holte zwischen 2001 und Juni 2007 lediglich Informationen bei Reisebüros ein, wie viel die Flüge des Präsidenten denn wohl gekostet haben könnten. „Das haben Geschäftsführer und Exekutive auch immer so akzeptiert“, so Gsell, die ihre Notizen als „Belege“ bezeichnet.

Eine abenteuerliche Handhabung, in Deutschland „völlig unvorstellbar“, erklärt Gerhard Schunke, Mitglied der Finanzkommission des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Da die IHF in Basel ansässig ist, dürften such auch die Schweizer Steuerbehörden und womöglich auch die Staatsanwaltschaft dafür interessieren. Kein Wunder, dass auch die Basler Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Copartner Revision AG, die als „Außenrevisor“ von der IHF engagiert wurde, im November 2007 dringend Besserung für diesen „sensiblen finanziellen Bereich“ anmahnte. Die Firma empfahl, Buchhalterin Gsell solle „unterstützt werden, die Auszahlungen ohne konkreten oder korrekten Beleg zu verhindern“.

Der Verdacht, dass Moustafa die Belege womöglich woanders noch einmal abrechne oder – als wichtiger ägyptischer Sportpolitiker – bei Egypt Air vielleicht kostenlos fliegt, interessiert IHF-Revisor Steib nicht: „Das kann man nicht kontrollieren und will man auch nicht.“ Warum Gsell das Geld jahrelang gegen jede Vorschrift ausgezahlt hat, darauf hat Revisor Steib eine einfache Antwort: „Moustafa ist der Pharao der IHF, Frau Gsell ist eine einfache Buchhalterin“, so Steib, und er fragt: „Soll Frau Gsell dem Dr. Moustafa sagen: Das Geld bekommst du nicht, wenn kein Beleg da ist?“

Moustafa, dem ein barscher und autokratischer Führungsstil nachgesagt wird, dürften nun unruhige Zeiten bevorstehen, zumal die Mitglieder des IHF-Councils offenbar über das Ausmaß der kreativen Buchführung nicht detailliert informiert worden sind. Ändern will der ägyptische Handballfunktionär aber die verwegene Buchführung keinesfalls. Auch in Zukunft werde er bei der Abrechnung seiner Flüge keine Belege einreichen. Das sei auch weiterhin, betonte Moustafa, „eine Sache des Vertrauens“. ERIK EGGERS