: Retortenclub im Abseits
Höherklassigen Fußball gibt es in Göttingen nicht. Das wollten fünf örtliche Vereine ändern und gründeten den Club FC Göttingen. Der aber zog so viel Unmut auf sich, dass das Projekt bereits nach drei Wochen erst mal vertagt wurde
Seit dem Konkurs des Traditionsvereins Göttingen 05 im Jahr 2001 ist mit dem örtlichen Fußball nicht viel Staat zu machen. Der derzeit am höchsten angesiedelte Verein, der Vorort-Club SC Weende, kämpft in der Oberliga Niedersachsen-Ost gegen den Abstieg. Doch mit dem FC Göttingen sollen wieder bessere Zeiten anbrechen. Die postulierten Ziele des neu gegründeten Clubs sind der Aufstieg mindestens in die 3. Liga, mehr Renommee für die Stadt und massenweise Sponsorengelder. Doch Vereinsmitglieder und vor allem Fans ziehen gegen den „Retortenverein“ zu Felde.
Nach nur wenigen Wochen Vorlauf hoben die Vorstandsmitglieder von fünf Göttinger Vereinen – alle spielen mindestens in der Bezirksoberliga – Ende November den FC Göttingen aus der Taufe. Mit dabei war auch Alexander Frey, Chef der Göttinger Sport- und Freizeit-GmbH. Der FC sollte ab der kommenden Saison in den Spielbetrieb eingreifen. Er hätte dann gleich in der Oberliga starten können, denn der als Gründungspartner beteiligte SC Weende hätte seinen Oberliga-Platz zur Verfügung gestellt.
Die fünf Gründungsmitglieder wollten als eigenständige Vereine bestehen bleiben, hätten aber ihre besten Kicker für den neuen Club abgestellt. Mitte Dezember kam dann der große Dämpfer: Der SV Göttingen verkündete seinen Rückzug, woraufhin die anderen Vereine beschlossen, das Projekt abzublasen. Ob es endgültig gestorben ist, lässt sich noch nicht sagen.
Die örtlichen Spitzenpolitiker beispielsweise waren von der Idee eigentlich begeistert: „Ganz, ganz phantastisch“ fand sie etwa Uli Holefleisch, sportpolitischer Sprecher der Grünen im Stadtrat. Er ist fest davon überzeugt, dass Göttingen über ein „ähnliches fußballerisches Potenzial verfügt wie Freiburg“. Die Breisgauer spielen derzeit in der 2. Bundesliga.
SPD-Oberbürgermeister Wolfgang Meyer, nannte das Vorhaben einen „richtigen und lobenswerten Vorstoß“. Allerdings zeigte sich damals schon das Problem, dass etliche Mitglieder der beteiligten Vereine den FC Göttingen nicht wollten. Vor allem die Fans des RSV Göttingen 05 wehrten sich: „Wir sind Fans eines Vereins, nicht irgendeiner Liga!“, heißt es in einer Erklärung der „Supporters Crew Göttingen 05“, die wie ein Blitz in die Fußball-interessierte Szene einschlug. „Wir springen nicht gleich von dem einen in ein anderes Bett, nur weil es von der angeblich kuscheligen Decke einer 3. Liga gewärmt sein soll.“
Die Stellungnahme hatte Gewicht, denn die „Supporters Crew Göttingen 05“ gilt als die umtriebigste Fangruppe in der Universitätsstadt. Mit Aktionen gegen die Kommerzialisierung des Fußballs, gegen Rassismus sowie zuletzt auch gegen Schwulenfeindlichkeit in Stadien und auf Sportplätzen haben die 05-Anhänger immer wieder Debatten angestoßen.
Der Vorstand der SVG Göttingen, der das Projekt durch seinen Rückzug zu Fall brachte, begründete seine Entscheidung damit, dass die benötigten „materiellen und personellen Ressourcen“ die Existenz des SVG „erheblich gefährden“ würden. REIMAR PAUL