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Archiv-Artikel

Kampfbegriff gegen die Sozialdemokratie

BUNDESREPUBLIK Jan Korte untersucht die gesellschaftliche Bedeutung des Antikommunismus im Westen nach 1945

„Überführten“ Kommunisten werden KZ-Opferrenten bis heute verweigert

Ein Redakteur einer politischen Zeitung, heute emeritierte Professor für Soziologie, geriet Anfang der 60er-Jahre in Panik. Die ganze Nacht über verbrannte er mehrere Jahrgänge einer Tageszeitung in seinem Keller, die er nicht lesen durfte. Er hatte einen Tipp bekommen, dass eine Hausdurchsuchung bevorstand.

Der Redakteur hatte Glück – man kam ihm nicht auf die Schliche. Was klingt wie eine Geschichte aus einem totalitären Regime, ist in der Frühzeit der Bundesrepublik geschehen. Der Redakteur, ein linker Liberaler, stand plötzlich im Verdacht, Kommunist zu sein.

Die Zeitungen, die er verbrannte, waren Ausgaben des Neuen Deutschland. Geschichten wie diese gibt es zuhauf. In Bielefeld wurde einem Sportler aus der DDR, der sich den Arm gebrochen hatte, die Behandlung verweigert – die Ärzte hatten Angst, durch die Behandlung als Sympathisanten des Kommunismus zu gelten.

Als 1956 die KPD vom Verfassungsgericht verboten wurde, zog der Staat das gesamte Parteivermögen ein, darunter Dutzende Zeitungsverlage. Sogar die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sollte nach dem Willen Adenauers als kommunistische Tarnorganisation verboten werden.

Eine Unzahl von Strafverfahren gegen echte und vermeintliche Kommunisten wurde eröffnet, die selten zu einer Verurteilung führten, und dennoch den beabsichtigten Zweck erfüllten, da die Verhaftungen am Arbeitsplatz durchgeführt wurden. Nicht nur gab es keine Haftentschädigung, auch der Arbeitsplatz war verloren.

Über die Angeklagten befanden Richter, die schon zur NS-Zeit Kommunisten verurteilt hatten. „Überführten“ Kommunisten aber wurden Opferrenten für die erlittene KZ-Haft verweigert (bis heute!), einige mussten erhaltene Rente wieder zurückzahlen. Viele dieser Männer und Frauen waren ruiniert, nicht wenige begingen Selbstmord.

Jan Korte, junger Abgeordneter der Linken im Bundestag, hat sich in seinem Buch „Instrument Antikommunismus“ diesem dunklen Kapitel gewidmet, das während der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Staatsgründung kaum Thema ist. Korte weist nach, dass der Antikommunismus in der BRD dazu diente, die Eliten, die sich in der NS-Zeit den Nazis verdingt hatten, auch weiterhin an der Macht zu halten. Da offen betriebener Antisemitismus nicht geduldet worden wäre, nutzen sie den Antikommunismus zur Durchsetzung ihrer Ziele. Mithilfe der Mär von einem inneren Feind, der zersetzend wirke, hielten sie einerseits die Volksgemeinschaft zusammen, konnten von der eigenen historischen Schuld ablenken und sich zudem gegen alle Versuche, die Wirtschaftsordnung zu ändern, wehren. Der Antikommunismus richtete sich, so zeigt Korte, vor allem gegen die SPD, deren linkssozialistischer Flügel mundtot gemacht werden sollte. Nur so lässt sich die Vehemenz erklären, mit der Kommunisten verfolgt wurden. De facto spielte die moskautreue KPD zum Zeitpunkt ihres Verbots bereits keine bedeutende politische Rolle mehr.

Das schmale, manchmal etwas schlampig und zu sehr von Parteipolitik geprägte Buch verhilft zu einem ersten Überblick über die ideologische Wirksamkeit des Antikommunismus. Anders als viele linke Veröffentlichungen zum Thema benennt Korte auch Fehler der Kommunisten, die auch nicht ohne Fürsprecher waren. Liberale wie Eugen Kogon oder Martin Niemöller setzten sich dafür ein, dass die Rechtsprechung nicht immer zugunsten der Politik gebeugt wurde. Empörend ist, dass die Unrechtsurteile der 50er-Jahre bis heute nachwirken und nicht zurückgenommen wurden.

JÖRG SUNDERMEIER

■ Jan Korte: „Instrument Antikommunismus“. Karl Dietz Verlag Berlin, 128 Seiten, 9,90 €