GERHARD DILGER ÜBER DIE VERLOGENHEIT DER US-DROGENPOLITIK : Krieg an vielen Fronten
Manches in der US-Politik scheint auch unter Präsident Barack Obama wie in Stein gemeißelt. Sein jüngstes Memorandum ans Außenministerium ist so ein Beispiel. Wie all seine Vorgänger seit Ronald Reagan teilt er darin die Welt in ein Gut-Böse-Schema, dessen Verlogenheit sein bolivianischer Kollege Evo Morales zu Recht geißelt: Nicht die verbündeten Regierungen in Afghanistan, Mexiko oder Kolumbien seien die bösen Buben des internationalen Drogenhandels, sondern neben der Diktatur in Birma die linken Staatschefs in Venezuela und eben Bolivien.
Nirgendwo ist die Instrumentalisierung des Drogenthemas für die US-amerikanische Geopolitik offensichtlicher als in Lateinamerika. Nach 1990 war die kolumbianische Narco-Mafia ein dankbarer Ersatz für den abhanden gekommenen Hauptfeind Kommunismus. Die Farc-Guerilla, die ihr Überleben tatsächlich zu einem Gutteil ihrer Liaison mit Drogenkartellen verdankt, spielt seit September 2001 perfekt die Rolle der „Narco-Terroristen“. Mit dem komplexen Mehrfrontenkrieg in Kolumbien ging auch die Unterwanderung des gesamten politischen Systems durch die Mafia weiter. Ähnliches ist derzeit in Mexiko zu beobachten: Dort forderte der Drogenkrieg 2008 über 4.600 Tote.
In ganz Lateinamerika ist die ausschließlich auf Repression setzende Drogenpolitik gescheitert. Prominente Expräsidenten fordern ein Umsteuern. Die Entkriminalisierung kleiner Verbraucher, wie jüngst in Mexiko und Argentinien beschlossen, ist ein richtiger Schritt. Das weiß auch Obama und spricht nicht mehr von einem „War on Drugs“ – immerhin.
Doch Südamerikas linke Staatschefs sind sprach- und konzeptionslos, auch Chávez oder Brasiliens Lula. Damit spielen sie jenen Kräften in der US-Regierung in die Hände, die die Region weiterhin militarisieren und destabilisieren möchten.