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Archiv-Artikel

Ist „Germany’s Next Topmodel“ frauenfeindlich?

WETTBEWERB Am Donnerstag kürt Heidi Klum auf ProSieben eine strahlende Siegerin – und schafft reihenweise weinende Verliererinnen: alle, die nicht der DIN-Norm entsprechen

Ja

Roger Willemsen, Jahrgang 1955, ist Publizist

Eine unschöne Frau mit laubgesägtem Gouvernanten-Profil bringt kleine Mädchen zum Weinen, indem sie ihre orthodoxe, hochgerüstete Belanglosigkeit zum Maßstab humaner Seinserfüllung hochschwindelt, über „Persönlichkeit“ redet, sich aber kaum mehr erinnern kann, was das ist, und sollte diese je zum Vorschein kommen, sie mit Rauswurf bestraft. Der Exzess der Nichtigkeit aber erreicht seinen Höhepunkt, wo Heidi Nazionale mit Knallchargen-Pathos und einer Pause, in der man die Leere ihres Kopfes wabern hört, ihre gestrenge „Entscheidung“ mitteilt, und wertes von unwertem Leben scheidet. Da möchte man dann elegant und stilsicher, wie der Dichter sagt, sechs Sorten Scheiße aus ihr rausprügeln – wenn es bloß nicht so frauenfeindlich wäre.

Sibylle Plogstedt, Jahrgang 1945, ist Feministin

Petra hat noch keine Erfahrung als Model. Schön sein, erfolgreich, cool. Millionen schauen zu, wenn sie sich den Traum erfüllt, den Heidi Klum ihr nahe legt: einmal in Rosen zu baden. Nackt natürlich. Wow, was für eine Erfüllung, wenn Heidi Klum ihr die Rosenblätter an die Brust heftet. Ein lesbisches Eroticum. Doch mit der Ausscheidung wird Heidi Klum zur Domina. I never promised you a rose garden! Strenge. Kälte. Wer fällt raus? Die Blonde mit dem verheulten Blick. Natürlich. Schwäche unterliegt, Angst auch. Weinen. Und dann Umarmen. Ja, wenigstens noch in die Arme genommen werden von Heidi Klum. Die sagt: Du brauchst halt noch zwei Jahre. Wozu? Noch zwei Jahre, bis sie zum Allerweltsmodel abgerichtet ist. Angepasst an den männlichen Blick. So will ich Frauen nicht.

Wanda Winkler, Jahrgang 1993, ist Schülerin und Zuschauerin

Wir fühlen uns gut, wenn wir makellose Mädchen verurteilen dürfen. Schließlich darf Heidi Klum das auch. So macht dann die Jury die Mädchen runter, dass sie zu klein, zu dick oder zu emotionslos seien – eine Jury, die hauptsächlich aus Männern besteht und genau diese Eigenschaften repräsentiert. Ja, diese Sendung ist frauenfeindlich. Aber schlimmer ist, dass die Kandidatinnen nur unter Kamerabeobachtung telefonieren dürfen – und jeder darf sie beurteilen. Erniedrigend.

Nein

Oswalt Kolle, Jahrgang 1928, ist Sexpapst

Warum soll das frauenfeindlich sein? Die Mädels gehen da ja freiwillig hin. Nach diesen Maßstäben wäre „DSDS“ auch männerfeindlich, da hat ja jetzt ein Mann gewonnen. Ich habe immer dafür gekämpft, dass der Mensch seine freie Entscheidung fällt. Und wenn sich die Geschlechter exhibitionieren wollen, dann kann man das doch nicht abstellen. Heidi Klum ist eine nette, fortschrittliche Frau, die etwas aus ihrem Leben macht. Sie hat nichts Böses getan. Also, was soll die Aufregung?

Dolly Buster, Jahrgang 1969, ist Pornokönigin

„Germany’s Next Topmodel“ ist genauso wenig frauenfeindlich, wie eine Mister-Universum-Wahl nicht männerfeindlich ist. Da die Kriterien für den Erfolg eines Topmodels fast ausschließlich vom Äußeren abhängig sind, ist es nicht nur angemessen, sondern auch erforderlich, dass sich Kritik und Bewertungen der Jury auf diesem Gebiet bewegen. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Leistungsanforderungen dieser Show vollkommen übertrieben und lächerlich wirken. Übrigens ist auch bei dieser Staffel nicht zu erwarten, dass die Gewinnerin ein echtes, weltweit gebuchtes Topmodel wird, sondern genauso wie die Gewinnerinnen der vergangenen Staffeln nur ein mäßig gebuchtes Fotomodell, das in der Anfangszeit ab und an über einen roten Teppich laufen darf.

„Sunny“ ist alt genug und beantwortete die sonntaz-Streitfrage anonym auf taz.de

Es ist doch nicht so wichtig, was Heidi Klum zu den Kandidatinnen sagt oder nicht sagt, es ist viel wichtiger, dass die jungen Zuschauerinnen mitbekommen, an welchen Kriterien die Kandidatinnen gemessen werden. Heidi Klum macht ja auch meist klar, dass man an sich arbeiten kann. Auftreten, Erscheinung, Selbstdarstellung, das sind alles Faktoren, die nicht selbstverständlich in die Wiege gelegt werden, sondern angenommen, trainiert – teils sogar ganz einfach aufgemalt werden können. Und der Pur- und Natur-Fan-Gemeinde kann man in diesem Fall nur sagen: Es wird natürlich immer auch Leute geben, die sich auf keinen Fall formen wollen. Und die werden dann natürlich nie eine Bikinifigur haben. Wem es denn gefällt.