Dichter des Exils und der Liebe

Sein Auftritt im argentinischen Film „Die dunkle Seite des Herzens“ (1992) ist legendär: In einem Freudenhaus trägt Mario Benedetti als alter Seemann sein Gedicht „Gepanzertes Herz“ vor – auf Deutsch. Als Kind hatte Uruguays Nationaldichter die deutsche Schule in Montevideo besucht. 1945, mit 25 Jahren, veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband. Später arbeitete er als Redakteur, Korrespondent, Übersetzer und Literaturprofessor.

Benedettis Roman „Die Gnadenfrist“ (1960), das eindringliche Tagebuch eines Buchhalters vor der Pensionierung, wurde zum Bestseller, in 19 Sprachen übersetzt und verfilmt. Weitere Romane folgten, dazu unzählige Gedichte, Essays, Drehbücher und Theaterstücke – insgesamt über 80 Bücher. 1971 gehörte er zu den Gründern der „Bewegung 26. März“, die der Stadtguerilla Tupamaros nahe stand. Von 1973 bis 1983 zwang ihn die uruguayische Militärdiktatur ins Exil nach Argentinien, Peru, Kuba und Spanien. In jenen bleiernen Jahren wurde seine Feder fast ausschließlich zur Waffe gegen die Generäle. Damals sagte Benedetti, der lateinamerikanische Schriftsteller könne die Türen zur Wirklichkeit nicht verschließen: „Wenn er sie naiverweise zu schließen versucht, wird es ihm wenig helfen, denn die Wirklichkeit wird wieder zum Fenster hereinkommen.“

In den letzten Jahrzehnten feierte der warmherzige, schüchterne Mann in der spanischsprachigen Welt die größten Erfolge mit seiner Liebeslyrik. Zuletzt arbeitete er an einer Gedichtsammlung mit dem Titel „Biografie für eine Selbstbegegnung“. Mario Benedetti war einer der populärsten zeitgenössischen Poeten Lateinamerikas.

Am Sonntag ist er nach langer Krankheit 88-jährig in seiner Wohnung in Montevideo gestorben. GERHARD DILGER