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Archiv-Artikel

Mekka der Moscheegegner

Heute treffen sich Rechtspopulisten aus halb Westeuropa zu einem Anti-Islam-Kongress. Die Stadt Köln haben sie sich nicht zufällig als Versammlungsort ausgewählt

Das Bürgertum muss begreifen, dass sich Muslim-Bashing nie mit humanistischen Werten verträgt Wer morgen noch Gläubige zum Gebet locken will, der muss ansprechende Räumlichkeiten anbieten

Als im toskanischen Colle di Val d’Elsa im Frühjahr 2007 der Bau einer Moschee angekündigt wurde, war das unspektakulär. Die Kleinstadt wollte damit ein Zeichen für die Integration der Muslime setzen, die in den 60ern zur Arbeit in den Kristallglasfabriken der Region gekommen waren. Doch dann meldete sich aus New York die todkranke Journalistin Oriana Fallaci, einst eine linke Ikone, zu Wort. Sie wünsche „kein 24 Meter hohes Minarett in der Landschaft Giottos“, tobte sie in einem Interview, und sollte sie das noch erleben, würde sie, „diese Moschee in die Luft sprengen“. Bald darauf starb Fallaci an Krebs. Doch mit ihrer Wut hatte sie in Italien landesweite Debatte losgetreten, und schon bald pilgerten Anhänger der rechtsradikalen Lega Nord aus allen Teilen Italiens zu Protestmärschen nach Colle di Val d’Elsa.

Wenn sich Rechtspopulisten aus ganz Westeuropa an diesem Wochenende in Köln treffen, dann haben sie den Ort mit Bedacht gewählt, denn auch die Domstadt hat im vergangenen Jahr eine heftige Moschee-Debatte erlebt. Anfangs war hier nur die kleine, stramm rechte Stadtratsfraktion „Pro Köln“ Sturm gelaufen gegen das Bauvorhaben, auf das sich der Stadtrat von Köln mit dem türkischen Moscheeverein Ditib verständigt hatte. Doch als der Publizist Ralph Giordano, ebenfalls eine linke Ikone, den Neubau einer Moschee im Juni 2007 als „Symbol einer verfehlten Integrationspolitik“ verteufelte, kam der Fall bundesweit in die Schlagzeilen. Plötzlich spürten die Moscheegegner Rückenwind aus respektablen Kreisen – vor allem im Kölner Stadtanzeiger und im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fanden ihre Argumente Anklang.

Der Moscheestreit von Köln hat eines gezeigt: Nicht die Rechtspopulisten sind das Problem – denn die lassen sich einhegen, wenn die Mehrheit es will. Problematisch ist eine bürgerliche Mitte, die sich von Schlagworten wie „Großmoschee“ und „Islamisierung“ verunsichern lässt und deshalb plumpen Angstbildern von Moscheen als „Zentren der Parallelgesellschaft“ und „Brutstätten des Terrors“ aufsitzt. Und natürlich Publizisten und Meinungsführer, die nicht zwischen Islam (einer Religion) und Islamismus (einer politischen Ideologie) unterscheiden können und zudem für das angebliche „Scheitern der Integration“ allein die Migranten selbst verantwortlich machen.

Ihre Intoleranz ist Wasser auf die Mühlen von Initiativen wie „Pro Köln“, die für eine Modernisierung des rechtsextremen Diskurses in Deutschland stehen. Ähnliche Parteien gibt es auch in anderen westdeutschen Städten (z. B. „Bürger in Wut“ in Bremen). Als „Bürgerbewegung“ getarnt, geben sie sich als Anwalt der kleinen Leute aus. Vom klassischen Rassismus à la NPD grenzen sie sich ab, zu Neonazi-Kadern oder Holocaust-Leugnern halten sie ängstlich Abstand, denn sie suchen den Anschluss an die bürgerliche Mitte. Ihr Vorbild sind rechtspopulistische Parteien wie Vlaams Belang in Belgien, FPÖ und BZÖ in Österreich, die SVP in der Schweiz und die Lega Nord in Italien, die mit ihrer Angstpropaganda gegen „muslimische Überfremdung“ schon beachtliche Erfolg feiern konnten.

Nach eigenen Angaben wollen sich die Rechtspopulisten in Köln jetzt zu einer „europäischen Front gegen die Islamisierung“ einen, um bei der nächsten Europawahl mit einer gemeinsamen Liste antreten. Wichtiger aber dürfte die Werbung sein, die sich „Pro Köln“ erhofft, indem es sich in der Phalanx der großen ausländischen Brüder als die wichtigste deutsche Anti-Islam-Kraft präsentiert.

Vielerorts in Europa sorgen neue Moscheebauten für Unruhe in der Nachbarschaft. Denn neue muslimische Gebetshäuser sind, neben Kopftüchern, das sichtbarste Zeichen des Islam in Europa und damit ein Symbol gesellschaftlicher Veränderung. Mit der zunehmenden Sichtbarkeit des Islam in vielen europäischen Städten wächst auch die Abwehr. Baustellen verwandeln sich deshalb immer wieder in Schlachtfelder der Integrationsdebatte – ob nun in Marseille oder Sevilla, in der Toskana oder am Rhein.

Dabei haben die Proteste gegen Moscheen meist wenig mit der konkreten Gemeinde oder der Zahl der Muslime, dafür aber viel mit dem politischen Klima vor Ort zu tun. Auch in Deutschland unterscheiden sich die Reaktionen deshalb von Stadt zu Stadt. Während es in den Arbeitervierteln von Mannheim und Duisburg kaum Proteste gab, als dort große Moscheen gebaut wurden, kam in Köln oder Frankfurt der massive Widerstand aus bürgerlichen Kreisen.

Rechtspopulisten wittern in diesem bürgerlichen Ressentiment ein Potenzial, denn in Deutschland gibt es derzeit einen regelrechten Bauboom von Moscheen. Das Islam-Archiv in Soest hat 159 im gesamten Bundesgebiet gezählt, mindestens noch einmal so viele sollen derzeit in Planung sein. Dieser Baueifer ist allerdings weniger ein Zeichen islamischer Landnahme, wie Gegner munkeln, als vielmehr der Effekt der innerislamischen Konkurrenz. Denn wer als Verband morgen noch Gläubige zum Gebet locken will, muss heute über ansprechende Räumlichkeiten verfügen. Deutschland holt damit nur eine Entwicklung nach, die in vielen Nachbarländern schon längst stattgefunden hat: Während sich die „Gastarbeiter“-Generation noch mit Hinterhöfen und Ladenwohnungen zufrieden gab, suchen ihre Kinder und Enkel jetzt ihren festen Platz in dieser Gesellschaft. Als Architekten, Anwälte und Unternehmer treiben sie heute selbstbewusst die Integration des Islam in Deutschland voran.

Natürlich gibt es durchaus berechtigte Fragen, die von Politik und Gesellschaft zu stellen sind, wenn in einem Viertel eine Moschee entstehen soll. Woher stammt das Geld für den Bau, wer steckt dahinter? Woher kommen die Imame, welche Lehre vertreten sie? In welcher Sprache wird gepredigt – und was? Warum aber ausgerechnet die Ditib-Moschee in Köln bundesweit so ins Kreuzfeuer der Kritik geraten musste, leuchtet nicht ein. Ja, der Verband wird maßgeblich von der türkischen Regierung mitgesteuert. Aber das ist ja immerhin ein befreundeter Staat und Nato-Partner mit einer langen Geschichte der Trennung von Staat und Religion, der zudem an die Tür der EU klopft. Solange Deutschland nicht selbst Imame ausbildet, verfügt es über keinen besseren Partner.

Dass sich fast ganz Köln – von BAP über den CDU-Bürgermeister bis zum 1. FC Köln – jetzt offensiv dagegen wehrt, zum Mekka europäischer Moscheegegner zu werden, ist deshalb erfreulich und wichtig. Sogar Ralph Giordano, der im vergangenen Herbst noch selbst eine Demonstration „gegen die schleichende Islamisierung“ anführen wollte, schließt sich nun den Protesten gegen „Pro Köln“ an, die er mindestens so abgrundtief verachtet wie „den Islam“. Damit wird eine überfällige Grenze markiert. Wichtiger aber wäre es, wenn sich damit in bürgerlichen Kreisen die Einsicht verbinden würde, dass sich Muslim-Bashing nicht mit humanistischen Werten in Einklang bringen lässt.

DANIEL BAX

Fotohinweis:Daniel Bax, 38, ist Redakteur im Meinungsressort der taz. Er hat Islamwissenschaft studiert und gehört keiner Religionsgemeinschaft an. An Köln mag er den rheinischen Dialekt, den 1. FC Köln und die multikulturelle Tradition der Stadt.