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Archiv-Artikel

Gemeinsam sind wir stärker

Nachbarschaftliche Gemeinschaften sind eine gute Möglichkeit, an ein eigenes Haus zu kommen, ohne am Stadtrand zu vereinsamen. Sie bieten nicht nur den Vorteil geteilter Kosten, sondern auch sozialen Anschluss

VON KATRIN KESSLER

Ein Haus am Stadtrand kann auch ein Fluch sein. Was, wenn die Freude am eigenen Garten abnimmt, der Besuch ausbleibt, sich Gefühle der Einsamkeit einstellen?

Eine Lösung sind genossenschaftlich finanzierte Wohnprojekte, und deren Zahl steigt, sagt Frank Seeger, Vorstand der Baugenossenschaft der Buchdrucker. „Nach Jahren der Singularisierung“ würden heute immer mehr Menschen das Miteinander schätzen. Denn die Finanzierung von Wohnideen sei oft schwierig: Nicht jeder könne sich vorstellen, ein Darlehen mit 30 Jahren Laufzeit aufzunehmen.

Baugenossenschaften bieten eine Alternative. Ihre Mitglieder erhalten ein lebenslanges Nutzungsrecht, die Genossenschaften sind demokratisch aufgebaut, der Erwerb von Genossenschaftsanteilen bringt Dividende. Hat sich eine Gruppe gefunden, so werden gemeinsam die Eckdaten für das Bauvorhaben festgelegt. Gemeinsam sei den Gruppen ein extrem langer Atem, sagt Seeger: „Alle haben ja ein Ziel: zusammen zu leben.“

Den Wunsch, in Gemeinschaft zu leben, erfüllen sich heute auch viele, indem sie sich als Eigentümer an einem Wohnprojekt beteiligen. Diethelm Zeller (65) und seine Frau Gisela (66) waren darauf eingestellt, dass die Planung eines Wohnprojekts einige Zeit in Anspruch nimmt. Sie gehören zur ersten Generation der in Wohngemeinschaften Lebenden und so liegt es für sie nahe, auch im Alter in eine Wohngemeinschaft zu wollen. Seit die 1979 und 1983 geborenen Töchter nicht mehr zu Hause leben, ist das Haus in Bramfeld zu groß. Die Zellers schlossen sich der Eigentümergruppe von „gofi-luzie“ an. Vor vier Jahren kam es zur Anhandgabe eines geeigneten Grundstücks am S-Bahnhof Kornweg. Der Zeitplan verzögerte sich erheblich, weil verschiedene Ämter sich nicht abgesprochen hatten. Im März 2009 sollen die Wohnungen endlich bezugsfertig sein.

Ein anderes Projekt ist „Autofreies Wohnen am Kornweg“, bei dem die Bewohner auf private PKW verzichten. Der Entwurf für die 30 Eigentumswohnungen wurde 2005 beim städtebaulichen Wettbewerb „Wohnbebauung Kleine Horst“ in Hamburg-Ohlsdorf mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Die Kosten für das energiesparende Passivhaus liegen 100-150 Euro je qm über den normalen Investkosten, so Volker Kuhlmann, der ein ökologisch und ethisch ausgerichtetes Maklerbüro betreibt und im August, möglichst noch vor seinem 43. Geburtstag, mit Partnerin Cornelia Hesse und den Töchtern Meta (9) und Tomke (7) hier einzieht. In Hamburg gibt es ab dem 1. Januar 2009 eine spezielle Förderung durch die Wohnungsbaukreditanstalt, die das Projekt jedoch nicht in Anspruch nehmen kann, da der Baubeginn 2007 war.

Der Architekt Carsten Dohse hat vor 12 Jahren die Baugenossenschaft am Wendebecken mitgegründet, die in Hamburg eine der ersten war. Kunden fragten häufig bei ihm an, wie Wohnprojekte zu planen seien, sagt Dohse, der mit seiner Frau und den 9 und 13 Jahre alten Söhnen noch immer in dem Wohnprojekt in Barmbek lebt.

Volker Holtermann, der Fachmann für systemische Organisationsentwicklung bei der Projektberatungsgesellschaft conplan, sagt, dass fast alle Projekte anfangs von „starken Frauen“, häufig in einer Lebensphase vor dem Eintritt in den Ruhestand, getragen würden. Die Motive seien vielfältig, häufig genannt würde aber der Wunsch, sich außerhalb des Berufslebens ein Beziehungsnetzwerk zu schaffen.

Sascha und Stefanie Bilen (beide 37) wohnen mit ihren Töchtern Mila (3) und Hedi (1) seit Februar im Wohnprojekt am Bornseck im Ahrensburger Stadtteil Wulfsdorf. Sie leben jetzt genau so, wie sie es sich gewünscht hatten. „Hier in Bornseck kann ich im Garten arbeiten, ich kann es aber auch sein lassen. Ich muss nicht den Rasen mähen und die Hecken schneiden“, sagt Sascha Bilen. Die Kinder können jederzeit draußen mit Freunden herumlaufen. Und noch was: „Gut finde ich, dass die Kleinen hier auf Senioren zugehen können, die dann auch mal auf sie aufpassen.“