: Ein Sandmann aus der Schweiz
KOMÖDIE In „Ein Sommersandtraum“ spielt Peter Luisi mit den verschiedenen romantischen und märchenhaften Motiven vom Sandmann. Dabei verwandelt sich der geistig versteinerte Protagonist buchstäblich in Sand und ein “Einfrauorchester“ singt dazu
VON WILFRIED HIPPEN
„Das ist eine interessante Metapher!“. So analysiert eine Figur im Film das Problem des Helden und nimmt damit dem Kritiker das Wort aus dem Mund -- oder besser dem Text. Tatsächlich ist der Plot dieses Films aus der Schweiz so offensichtlich um ein Sinnbild herum fabuliert, dass er leicht zu offensichtlich hätte wirken können.
Doch dies hat der Regisseur Peter Luisi dadurch geschickt vermieden, dass er logisch und bis zur letzten Konsequenz durchdacht hat, was mit einem Mann passiert, der sich langsam in Sand verwandelt. Dabei beginnt der Film mit einem völlig gegensätzliche Bild, denn gleich in der ersten Einstellung bekommt sein seltsamer Protagonist Benno Kaffee ins Gesicht geschüttet. Dies hat er aber auch verdient, denn er ist ein extrem unangenehmer Zeitgenosse. Fabian Krüger spielt ihn so rüpelhaft, rücksichtslos und verlogen, dass er von der ersten Szene an eine ganz eigene Faszination ausstrahlt. Snobistisch macht er alle Menschen in seiner Umgebung herunter.
Besonders hat er es auf Sandra abgesehen, die unter seiner Wohnung ein kleines Cafe betreibt, dort nächtens ihren Auftritt als „Einfrauorchester“ probt und ihn dadurch am Schlafen hindert Bei seiner Arbeit in einem Laden für Philatelisten legt er am liebsten jene herein, die geerbte Briefmarkensammlungen verkaufen wollen und keine Ahnung von deren tatsächlichen Wert haben. Bei solch einer besonders perfiden Aktion (er gibt an, eine Marke sei nur die Fälschung einer besonders wertvollen Fälschung) rieselt ein wenig Sand aus seinem Ärmel. Schnell fließt immer mehr von diesem materialisierten falschen Leben aus ihm heraus, und der Film ist dann am unterhaltsamsten, wenn er zeigt, wie Benno versucht, trotz seiner fantastischen Verwandlung sein alltägliches Leben zu bewältigen und diese vor den anderen Menschen zu verbergen.
Wie jeder weiß, der als Kind das Sandmännchen gesehen hat, lässt diese Art von magischem Sand die Menschen schlafen, und Benno lernt bald, diese Vorteile seiner Versandung zu nutzen. Aber dann merkt er auch, dass er immer leichter wird, und spätestens, nachdem ihm einer seiner Arme wegrieselt, wird ihm klar, in welcher Gefahr er sich befindet.
Peter Luisi spielt hier mit den verschiedenen romantischen und märchenhaften Motiven vom Sandmann, aber im Grunde ist sein Antiheld eher ein moderner Pinocchio, dessen Körper jede Lüge verrät. So kann ihn nur die Suche nach dem wahren, richtigen Leben retten. Dabei sucht er die Hilfe eines Esoterikers aus dem Fernsehen, doch der gibt als Lösung für Bennos nur die Zahl „9“ an und begründet seine kryptische Antwort damit, dass er ein Hellseher und kein „Hellwisser“ sei. Auf die richtige Spur kommt Benno dann durch seine Träume, denn diese teilt er mit der von ihm so gerne beschimpften Kellnerin.
Einer der Gründe dafür, warum diese absurde Komödie so komisch ist, liegt daran, dass Benno und Sandra einander in der ersten Hälfte des Films so boshaft bekriegen. Statt des im Titel verballhornten Stücks von William Shakespeare erinnert man sich eher an dessen „Viel Lärm um Nichts“ mit den gewitzten Streitereinen zwischen Beatrice und Benedick.
Schön ist auch, mit welchen simplen Tricks er die fantastische Verwandlung von Benno bewerkstelligt. Statt der allgegenwärtigen Computeranimation nutzt er einfach den Sand, in dem langsam nicht nur Benno, sondern der ganze Film zu versinken droht. Fabian Krüger gelingt, es, den Benno als ein Ekel zu verkörpern, das seltsamerweise nie gänzlich unsympathisch wirkt und die Sandra wird allerliebst von einer Sängerin mit dem schönen Künstlernamen Frölein Da Capo gespielt. Nur eine gute Musikerin kann auf die Note genau so falsch singen.