: Der Kleine und der Große
KRIEG José Fernando Canales war der Junge, der 1986 den Söldner Eugene Hasenfus vom Himmel holte, den späteren Kronzeugen der Iran-Contra-Affäre
Als Pablo Aráuz sich schon Gefechte mit der Nationalgarde lieferte, war José Fernando Canales noch in der Volksschule. 1986, als der Krieg gegen die Contras längst das Leben in Nicaragua bestimmte, sollte auch er durch ein Foto berühmt werden.
Mit 18 Jahren, als Freiwilliger in der sandinistischen Armee, wurde Canales an den sowjetischen Luftabwehrraketen ausgebildet, die Nicaragua geliefert bekommen hatte. Die wärmegesteuerten Waffen mit einer Reichweite von über 2.000 Metern erforderten ein gutes Auge. Man musste den richtigen Moment erwischen, um sie auf ein bewegliches Ziel abzufeuern.
Nach einem Dreitagemarsch durch unwegsames Gelände erreichte die Kompanie einen Ort namens El Fajardo, von dem bekannt war, dass in der Nähe Waffen und Verpflegung für die Contras abgeworfen wurden. Tatsächlich ortete der Trupp bald ein Kleinflugzeug am Himmel. Canales, hungrig und müde, brachte seine Rakete in Stellung, wartete ab, bis sich das feindliche Objekt genug genähert hatte. „Das Geschoss durchschlug die rechte Tragfläche“, erzählt er, „und wir sahen, wie sich ein Fallschirm aus der trudelnden Maschine löste.
Der überlebende Eugene Hasenfus, Vietnamveteran und Söldner im Dienst der Contras, sollte zum Kronzeugen für einen Skandal werden, der unter dem Namen Iran-Contra in die Annalen einging. Nach und nach wurde bekannt, wie US-Präsident Reagans Küchenkabinett am Kongress vorbei durch Drogengeschäfte und verdeckte Ersatzteillieferungen für das iranische Arsenal jahrelang die Finanzierung der Konterrevolutionäre – Freiheitskämpfer für US-Präsident Reagan – besorgte.
Erst zwei Tage nach dem Abschuss wurde die Presse im Helikopter eingeflogen. Die jungen Soldaten hatten strenge Anweisung, keinerlei Erklärungen gegenüber den Journalisten abzugeben. Doch Fernando als erfolgreicher Schütze durfte ins Zentrum des perfekten Bildarrangements rücken: Der kleine, junge Mann in Tarnuniform und welligem Haar führte den grobschlächtigen Söldner, der ihn um Haupteslänge überragte, an der Leine. Canales erinnert sich an diese letzte Begegnung mit dem Mann, der ihn berühmt machen sollte. „Guter Schuss“, hatte Hasenfus anerkennend gemurmelt. Tags darauf wurde dem jungen Rekruten der höchste Orden der Sandinistischen Volksarmee verliehen, die Camilo-Ortega-Medaille in Gold.
Für José Fernando Canales war mit diesem Auftritt der zweijährige Wehrdienst nach einem halben Jahr praktisch beendet. Er wurde zunächst nach Kuba geschickt, wo er Urlaub machen konnte und als antiimperialistischer Held herumgereicht wurde. Dann bekam er ein Stipendium für ein Medizinstudium.
Heute ist José Fernando Canales Epidemiologe und Delegierter des Gesundheitsministeriums in seiner Heimatregion Río San Juan. RALF LEONHARD