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Archiv-Artikel

Keine kölsche Kicker

In der NFL Europe wird der uramerikanische Football immer mehr zur innerdeutschen Angelegenheit. Die neu gegründeten Cologne Centurions setzen ab morgen darauf, dass der Kölner zu feiern versteht

In Zukunft droht eine weitere Konzentration der NFL Europe im Westen der Republik

VON THOMAS WINKLER

Eins kann und will Jacques Orthen beim besten Willen nicht verbergen. Dass er in Köln groß geworden ist und dass er in Köln lebt, das soll man merken und das merkt man an der regional eingefärbten Sprachmelodie. Aber nicht nur, wie der General Manager der Cologne Centurions etwas sagt, auch was er sagt, ist recht aufmüpfig und ein klein wenig größenwahnsinnig, eben ziemlich kölsch. Über den 1.FC Köln zum Beispiel sagt Orthen, der sei „hier nicht mehr unbedingt die Nummer eins“. Nun mag hier die Rede von einem Tabellenletzten sein, aber doch immerhin dem Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga, während Orthen in den vergangenen Monaten versucht hat, die Ankunft des neuesten Franchiseunternehmens eines europäischen Ablegers einer amerikanischen Sportliga in der Kölner Sportlandschaft vorzubereiten.

Zuletzt war Orthen für die Kölnmesse tätig, die ihn für die Centurions freistellte. Der ehemalige Werbeleiter setzt nun auf regionale Identifikation, die der an die römische Vergangenheit der Domstadt gemahnende Name und die rot-weißen Klubfarben fördern sollen. Lokalkolorit versprüht auch Orthen selbst, wenn er verkündet: „Ich bin ein Optimist.“ Als solcher geht er schon jetzt davon aus, dass die fünf Heimspiele seines American-Football-Teams, das am morgigen Sonntag mit einem Auswärtsspiel bei Rhein Fire sein Dasein beginnt, durchschnittlich von zumindest 15.000 Zuschauern besucht werden. Diese Einschätzung darf getrost als hoffnungsfroh bezeichnet werden, erwartet doch selbst die Leitung der NFL Europe solche Zahlen nicht von ihrem neuesten Mitglied. Zum Vergleich: Der letzte Neuling Berlin Thunder benötigte immerhin fünf Jahre, um den Zuschauerschnitt auf zuletzt 12.500 zu steigern.

Orthen gründet seinen Optimismus vor allem auf die Erfahrungen, die er vor zwei Jahrzehnten mit den Cologne Crocodiles gemacht hat. „Sieben- bis Achttausend habe ich in der ersten Saison ins Südstadion geholt“, erzählt er von seligen Zeiten in der Football-Bundesliga. Schon damals sei „die Kombination aus Show und Sport“ erfolgreich gewesen. „Ich kenne das Kölner Publikum“, sagt Orthen, „Köln feiert gern.“ Umso mehr, so die Überlegung, wenn der Karneval vorbei ist, dem FC der Abstieg droht und dieses Mal nicht mehr nur die Football-Bundesliga mit Amateuren, sondern gar die echte NFL mit echten Footballprofis nach Köln kommt.

Wie in den Jahren zuvor besteht die NFL Europe auch in dieser Saison wieder aus sechs Mannschaften, die eine normale Serie mit Hin- und Rückspiel ausspielen, bevor am 12.Juni der World Bowl in der Arena AufSchalke der Titelträger ermittelt wird. Es waren die Barcelona Dragons, deren Zuschauerzahlen zuletzt stagnierten, die weichen mussten zugunsten eines vierten Standorts in Deutschland. Nur mehr die Scottish Claymores und die Amsterdam Admirals sorgen nun noch dafür, dass die Liga nicht in NFL Germany umbenannt werden muss. Wenn die Geschichte der vor 13 Jahren zuerst als World League of American Football gestarteten Liga etwas bewiesen hat, dann dass in Europa vor allem in Deutschland ein Markt für die NFL vorhanden ist. Die reichste Sportliga der Welt kann darauf bauen, dass hierzulande seit Ende der 70er-Jahre Football gespielt wird und sich durch die Stationierung von US-Soldaten ein gewisses Grundverständnis für die Sportart entwickelt hat. Zudem hat die Existenz von bislang drei Teams eine gewisse Selbstverständlichkeit im medialen Umgang etabliert. Drei wichtige Sponsoren fanden über andere deutsche Teams den Weg zu den Centurions, solche Kooperationen sind in Ländern mit nur einem Team in der NFL Europe nicht möglich.

Die Centurions geben sich aufmüpfig und größenwahnsinnig, eben ziemlich kölsch

Dass das neue Team ausgerechnet in Köln angesiedelt wurde, in relativer Nachbarschaft zu Frankfurt Galaxy und den momentan in Schalke spielenden Rhein Fire Düsseldorf, ist, sagt selbst Michael Lang vom weiter entfernten Liga-Konkurrenten Berlin Thunder „vom wirtschaftlichen Aspekt ein Schritt nach vorn“. Und hat vor allem zwei Gründe: Zum einen zeigte die Stadt großes Interesse daran, die NFL an den Dom zu holen, und investierte 2,9 Millionen Euro in den Football-gerechten Umbau des Sportparks Müngersdorf. Zum anderen können Galaxy, Fire und Centurions nun pro Saison gleich sechs Derbys ausspielen, die zusätzlich Fans der Auswärtsteams ins Stadion bringen.

In mittelfristiger Zukunft droht sogar eine weitere Konzentration der Liga im Westen der Republik. Wenn Rhein Fire wieder zurück ins frisch renovierte Rheinstadion zieht, läuft der Vertrag der NFL mit der Arena AufSchalke trotzdem noch bis 2007 und Gelsenkirchen kann ein eigenes Team beantragen. Dann könnte ein anderes Team das schnelle Ende der Barcelona Dragons ereilen, zum Beispiel die notorisch zuschauerklammen Claymores. Genauso aber ist auch denkbar, dass die gesamte Liga eingestellt wird. Denn auch wenn die NFL Europe die footballlose in den USA mit Fernseh-Übertragungen überbrücken hilft, bleibt es ein Zuschussgeschäft fürs Mutterschiff. Jedes Jahr aufs Neue müssen die Besitzer der 32 NFL-Teams entscheiden, ob ihnen die Erschließung des europäischen Marktes und die Entwicklung von Nachwuchstalenten die Kosten für den europäischen Ableger wert sind. „Das Problem ist“, so Orthen, „die NFL müsste Zeichen setzen, dass sie hier langfristig plant. Das wäre nicht nur wichtig für die Mitarbeiter sondern auch für die Sponsoren, für die ganze Liga.“

Noch aber wird nicht langfristig geplant. Deshalb blickt die NFL in den kommenden Monaten intensiv nach Köln. Deshalb hat die NFL Europe prominentes Personal nach Köln abkommandiert. Cheftrainer ist Peter Vaas, der in den letzten vier Jahren mit Berlin Thunder zwei Mal den Titel holte. Die Tight Ends trainiert Tom Nütten, erfolgreichster Football-Profi mit deutschem Pass und mit den St. Louis Rams vor vier Jahren Super-Bowl-Sieger. Als Identifikationsfigur wurde der Kölner Jung Werner Hippler nach fünf Jahren in Frankfurt von der Liga zu den Centurions delegiert. Nur einen prominenten deutschen Ex-Fußballprofi hat man, wie es eigentlich Tradition ist, nicht als Kicker verpflichten können. Manfred Burgsmüller, Ingo Anderbrügge und Axel Kruse finden keinen Nachfolger in Köln, obwohl Orthen mit Anthony Baffoe, Toni Polster, sogar dem aktuellen FC-Profi Dirk Lottner Gespräche führte. „Im Grunde ist das ein guter PR-Gag“, gibt er selbst zu und ist sich sicher: „An Köln wird’s nicht scheitern.“ Um das zu garantieren, hat sich selbst der waschechte Ami Peter Vaas schnell akklimatisiert. Kaum hatte er den neuen Job übernommen, wusste er bereits: „Irgendwann muss ich Alaaf sagen.“