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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: JOSÉ BOVÉ IN DER SCHEUNE VON BAUER LEHMANN IN CELLE Wartet nicht auf die Politik!

An Vasen mit Sonnenblumen vorbei sucht sich José Bové den Weg in die Scheune. Der Bart des kleinen Franzosen erinnert an Asterix. Er hat eine Tabakpfeife im Mund und lächelt so milde wie die letzten Sonnenstrahlen, die ihn an diesem spätsommerlichen Donnerstagabend in Celle bis zum Rednerpult begleiten. Der Vize-Vorsitzende des Agrarausschusses im Europa-Parlament braucht seinen Dolmetscher zunächst nicht. Die Leute verstehen ihn auch so, wenn er auf die Probleme der Massentierhaltung und Massenschlachtung in der Landwirtschaft zu sprechen kommt und die Worte peur und résistance, Angst und Widerstand, immer wieder in die mit über hundert Gästen gefüllte Scheune schreit.

Die Lampe auf dem Pult wirft einen großen Schatten seines leicht untersetzten Körpers an die Scheunenwand. Wenn José Bové mit seiner Brille in der rechten Hand durch die Luft wedelt, um seinen Aussagen noch mehr Ausdruck zu geben, sieht man den ehemaligen Aktivisten auch in der letzten Reihe. Es ist wie der Kampf gegen Windmühlen und der Versuch, sich Gehör und Gesicht zu verliehen, der sich für einen Moment von Europa in eine kleine Scheune verlagert hat.

Bové berichtet davon, dass eine Hähnchenmastanlage vor einiger Zeit aus wirtschaftlichen Gründen schließen musste und den Tieren kurzerhand die Sauerstoffzufuhr abgeschaltet wurde. Raunen im Publikum. Das Bild kommt an.

Er erklärt den Anwesenden, dass ihre Bedenken und Vorwürfe, die Massentierhaltung und Massenschlachtung bringe erhebliche gesundheitliche, hygienische und ökologische Probleme mit sich, berechtigt seien und eine nachhaltigere Reform der Landwirtschaftspolitik notwendig machen. Einmal ganz abgesehen von den Zuständen für die Tiere. Daher dürfen solche Projekte in der Zukunft auf keinen Fall mehr von der Europäischen Union subventioniert werden, sagt Bové. Dieser Satz muss auch nicht übersetzt werden. Dennoch bleiben die Zuhörer stumm. Das wissen sie nämlich schon.

Diese moderne Form der Geflügelzucht sei kein lokales Problem, sagt Bové, sondern Teil eines belastenden Strukturwandels der Landwirtschaft in Europa. Die Gegner des geplanten Geflügelschlachthofs, der in Wietze im Landkreis von Celle gebaut werden soll, fühlen sich in diesem Augenblick verstanden. In der kleinen Scheune irgendwo im Niemandsland der niedersächsischen Provinz vom großen Europa nicht alleingelassen.

„Die Politik muss uns helfen“, krächzt eine weibliche Stimme, in der Hoffnung, dass der bereits genehmigte Bau der Mastanlage und die Schlachtung von knapp 2,6 Millionen Hähnchen in der Woche noch zu verhindern sei. Und was macht José Bové? Er warnt davor, sich allein auf die Politik zu verlassen, betont den Einfluss der Verbraucher – und bemüht ein französisches Sprichwort: „Wir sind, was wir essen.“ CHRISTOPH ZIMMER