PETER UNFRIED NEUE ÖKOS : Angelina statt Klima
Halt doch mal ein Referat über den Klimawandel, sage ich zu meiner Tochter. Zwei Wochen später hält sie ihren Vortrag. Allerdings nicht übers Klima. Noch nicht
Die Kinder haben Projektwoche. Einen Tag machen sie „Mosaike“, am nächsten treffe ich meinen Sohn Adorno im Treppenhaus, und er erzählt mir im Raufgehen in knapper Präzision, wie Hannibal den Feind zunächst mächtig aufmischte und am Ende doch Karthago zerstört war, wie es ein Herr Cato in jeder Rede gefordert habe. Bei der Gelegenheit erfahre ich endlich auch mal, dass Karthago im heutigen Tunesien lag.
Ich fragte: „Was war eigentlich das Thema?“
Adorno: „Die Römer.“
Weil ich ein selbstgerechter Arsch bin, wollte ich mich gleich mal künstlich aufregen. Römer? Mosaike? Haben die Neunjährigen von heute keine anderen Sorgen? Warum macht diese wirklich tolle und engagierte Schule nicht das Projekt „Klimakultur“, wo sie darüber sprechen, warum Kohlekraftwerke ein Problem sind und wie wir alle künftig unseren Strom selbst produzieren. Klimakultur und Lebensstilverantwortung gehört in die Schule. Bei Kongressen wird das gern gesagt. Dann klatscht alles. Und geht dann seiner Wege. Die Sache ist nur: Es wird nicht ohne Initiative von außen kommen. Mal abgesehen von einzelnen Schulen, wo ungewöhnliche Rektorinnen sitzen, die das Thema als Zukunftsfrage verstehen.
Bevor er in sein Zimmer verschwinden konnte, hielt ich Adorno an seinem Argentinien-Trikot fest und fragte ihn, was er als nächstes Referat plane.
„Ich plane nie Referate“, brummte er.
War ja eh klar. Er plant auch nie, Teller in die Spülmaschine zu räumen. Dann musste halt mal wieder Penelope herhalten.
Ich ging in ihr Zimmer und fragte sie in Zeichensprache, ob sie ihren iPod mal ausmachen könne. „Du, Pelo“, sagte ich und faselte so was wie: Ob Alisar eigentlich eine verborgene Intelligenz habe, die ihre weitere Topmodel-Karriere gefährden könnte. Sie roch die Gefahr sofort.
„Was willst du?“
Ich: „Was machst du eigentlich als nächstes Referat?“
Sie (ausweichend): „Warum?“
Ich sagte ihr, dass ich im Übrigen der Meinung sei, sie könne doch mal über den Klimawandel referieren und über Sonnenenergie. „Wir reden die ganze Zeit darüber. Das interessiert die anderen Kinder auch.“ Sie sagte mir, dass das die anderen Kinder mitnichten interessiere.
„Come on“, sagte ich, „das ist doch ein super Thema. Eure Eltern hauen den Planeten auf den Kopf und stehlen euch eure Zukunft.“
So wie sie mich ansah, stahl ich ihr offenbar gerade die Gegenwart. „Ich zähle auf dich“, sagte ich tapfer im Rausgehen. Den iPod hatte sie längst wieder auf.
Zwei Wochen später hielt sie ihr Referat. Der Titel lautete: „Angelina Jolie – ihr Leben, ihre Karriere und ihre Kinder Maddox, Pax, Zahara, Shiloh, Vivienne Marcheline und Knox Leon“. Na ja. Ich mach’s wie Cato mit Karthago. Ich bleibe dran. Irgendwann klappt’s. Wie mir Adorno mitteilt, hat Cato selbst es allerdings nicht mehr erlebt.
■ Der Autor ist taz-Chefreporter Foto: Anja Weber