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Archiv-Artikel

Wieder Widerstand

WAS SAGT UNS DAS? Der Kinofilm „Résiste! Aufstand der Praktikanten“ findet den Fehler im System

„Das ist Widerstand!“ Helmut reißt einen faustgroßen Stein in die Höhe. „Damit habe ich 1968 die erste Scheibe im Springer Verlag eingeworfen.“ Sagt’s und legt das Tatwerkzeug zu den anderen Revolutionsdevotionalien, die er in seiner schummrigen Kneipe irgendwo in Berlin ausstellt. „Wir müssen kämpfen! Es geht um den Kampf“, lässt er die gerade etwas betrübten jungen Leute neben ihm wissen. Da platzt es aus Maria, seiner Frau, heraus: „Kampf, Kampf, ich kann es nicht mehr hören! Was hat uns der Kampf denn gebracht? Unser Sohn redet nicht mehr mit uns!“ Der Sohn, Till, die männliche Hauptfigur im Kinofilm „Résiste! Aufstand der Praktikanten“, nämlich hatte genug von einer Jugend mit Urlauben auf der Startbahn West und chronischer Blasenentzündung von Sitzblockaden – er versucht es lieber kapitalistisch und wurde soeben „Jungunternehmer des Jahres“.

Seine geniale Geschäftsidee: Nachdem Till lange von einem großen Autokonzern ausgebeutet wurde, gründet er mit zwei Freunden PAKT, die Beratungsagentur für Praktikanten. Mit juristischen Tricks und auch mal mit Erpressung verschafft er seinen Kunden zumindest erträgliche und vertraglich abgesicherte Arbeitsverhältnisse. Wurde früher gegen den Kapitalismus gekämpft, so geht es heute darum, in seinen Schoß aufgenommen zu werden.

Der Film, der heute in die Kinos kommt, ist zwar nicht das Sozial- oder Dokudrama zur Generation Praktikum, doch die Komödie beleuchtet, auch mal surreal, klug die Nöte derer, die sich nach zig Praktika, reichlich Auslandserfahrung und super Abschlüssen als un- oder zumindest unterbezahlte Arbeitskräfte verdingen. „Résiste“ ist die Abschlussarbeit von Jonas Grosch, der das Drehbuch schrieb und auch Regie führte und damit sein Studium an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf (HFF) beendete. Die Idee zum Skript kam von seiner Produzentin. Er selbst hat nur ein dreimonatiges Praktikum hinter sich, aber „als ich am Drehbuch arbeitete, erzählten plötzlich alle Freunde und Bekannten ihre Praktikumsgeschichten, und ich hab da erst gemerkt, wie viele darunter leiden“, sagt Jonas Grosch.

Umsatz oder Umsturz

Funktioniert Widerstand heute noch? Wann ist der Punkt erreicht, an dem ich sage: Es reicht. Ich widersetze mich. Oder versuche ich, innerhalb des Systems etwas zu verändern? Diese Fragen beschäftigten Jonas Grosch, Jahrgang 1981, schon in seinem Dokumentarfilm „Der Weiße mit dem Schwarzbrot“, der von seinem Onkel, Christof Wackernagel, erzählt. Der war Mitglied der RAF, ging dafür ins Gefängnis und distanzierte sich, nun spielt er den Vater Helmut im Film, den alten Linken, der den Jungen die Revolution beibringen will.

Auf Begeisterung stößt er da bei Sydelia, gespielt von Jonas Groschs Schwester Katharina Wackernagel, die als Gegenpol zu Till französisch revolutionär das System bekämpfen will. „Bei uns geht es um Umsatz, nicht um Umsturz“, klärt Till sie auf, der mit hohen Provisionen für seine Beraterdienste schnell selbst zum Ausbeuter wird – bis beide es nach einigen Verwicklungen gemeinsam versuchen, mit dem Generalstreik. „Die Leute können es sich nicht leisten, auf die Straße zu gehen, wenn sie dadurch ihre Existenz verlieren“, heißt es im Film. Der Anstoß muss heute wohl größer sein als früher. Doch wenn Pragmatismus und Naivität zusammenstehen, dann funktioniert der Widerstand. Zumindest im Film. DANIELA ZINSER