: Statt Alcopops droht Sucht in Tüten
Der Kreuztaler Unternehmer Jost-Henner Nies verkauft Alkohol in Pulverform und umgeht die Sonderabgabe auf Alcopops. Das süße Anmixgetränk ist Drogenbeauftragten, Verbraucherschützern und Schnapsbrennern ein großes Ärgernis
VON LUTZ DEBUS
Jost-Henner Nies hat sich zwischen alle für ihn möglichen Stühle gesetzt. Seit wenigen Wochen vertreibt er eine Weltneuheit. Seitdem ist er der Buhmann des Bundesverbandes der deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) und neuer Lieblingsfeind von Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Marion Caspers-Merk (SPD). Sein Delikt: die Vermarktung eines Pulvers namens „Subyou“ zur Herstellung von Alcopops, alkoholhaltigen Mixgetränken.
Zunächst erstaunt das chemische Verfahren. Alkohol als Pulver? Bislang endeten die Möglichkeiten von Instant bei Kaffee und Suppe. Tatsächlich, so beteuert Nies, wird dem Alkohol chemisch nichts zu Leide getan, er wird nur in einem speziellen Mineral gebunden. Vergleiche mit Katzenstreu hört er nicht gern. Erste Patente auf ähnliche Verfahren gebe es seit 1969.
100 Gramm des Alcopop-Pulvers enthalten neben Zucker, Aromastoffen und einigen chemischen Zusätzen 19 Gramm Alkohol. Bei sachgemäßer Mischung kommt das Getränk auf etwa 4,8 %, ist dann also so konzentriert wie die Pops aus der Flasche. Jugendschützer sind auf den Barrikaden, weil die von ihnen mühsam erkämpfte Abgabe für Alcopops durch diese Herstellungsform unterlaufen wird. Das Pulver gilt, so Nies, als Lebensmittel und unterliege weder der Alkoholsteuer, der Sonderabgabe, noch dem Getränkepfand.
Die Argumente gegen Alcopops sind bekannt. Durch den hohen Zuckergehalt vertuschen sie geschmacklich den ebenfalls hohen Alkoholanteil und sind deshalb besonders für Minderjährige gefährlich. Der Markt des Szenegetränkes ist nach der Einführung einer Sonderabgabe in Höhe von 84 Cent pro Flasche eingebrochen. Jugendliche scheuen vor den höheren Preisen zurück. Nun gibt es ein Produkt, dass es erlaubt, das süße Alkoholgetränk selbst zu mixen.
Nies glaubt nicht, dass bestimmte Produkte jugendlichen Alkoholmissbrauch verursachen. „Es kommt doch auf die Vorbildfunktion der Eltern an, inwieweit diese auch Suchtverhalten zeigen.“ Früher fand er die Grünen phantastisch. „Wenn die Künast aber Zwangssportunterricht für dicke Kinder fordert, dann ist das nur noch dogmatisch.“ Erheitert habe ihn ein Anruf von einem Jugendzentrum. Dieses wollte große Mengen von seinem Produkt Subyou ordern. Nies erkundigte sich, ob die städtische Einrichtung gewährleisten könne, dass nur Volljährige an seinen Stoff kämen. Das konnten die Sozialpädagogen nicht garantieren. Aber das Jugendzentrum müsse alkoholische Getränke anbieten, um mit dem so erwirtschafteten Umsatz die Kürzungen im Etat aufzufangen, sollen sie gesagt haben.
Vertrieben werden die Tütchen bislang über das Internet. Die Auslieferung erfolgt über einen Paketdienst. Der überprüfe, so Nies, bei Quittierung der Lieferung das Alter des Empfängers. Kontrollierter sei der Verkauf am Kiosk auch nicht möglich, glaubt Nies. Bald soll es Subyou aber auch dort geben. Ein Grossist will das Brausepulver in sein Sortiment aufnehmen. Ein ganz großer Händler, Lekkerland-Tobaccoland, lehnte vor kurzem eine Vermarktung ab und bestätigte dies auf Nachfrage der Presse. Durch den Medienrummel habe Lekkerland-Tobaccoland plötzlich doch Interesse am Vertrieb bekommen, berichtet Nies schmunzelnd. Aber nun habe er keine Lust mehr. Seine Produktionskapazitäten seien ohnehin ausgeschöpft. Genaue Zahlen möchte er nicht nennen. „Das würde das Bild verfälschen. Zu viele bestellen im Moment aus Neugier.“ In einer Sonntagszeitung war die Rede von 20.000 Tütchen pro Tag.
Vergangenen Mittwoch hielt Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) bei einem „politischen Gästeabend“ des BSI in Königswinter eine Brandrede gegen Alkohol aus der Tüte. Dafür gab es reichlich Beifall und kurz danach wütende Anrufe von dort anwesenden Spirituosenherstellern bei Nies. Sie beschwerten sich allerdings nicht bei ihm, dass er die Jugend gefährde. Sie waren aufgebracht, weil er die Subyou-Verpackung gekennzeichnet hat: „Dieses alkoholische Getränk kann Sucht erzeugen. Abgabe an Personen unter 18 nicht erlaubt!“
Die Brenner fürchten, dass dies Politiker auf dumme Gedanken bringen könne. Persönlich getroffen habe ihn, dass Lobbyisten, Presse und Politiker sein Produkt verurteilten, ohne es probiert zu haben, sagt Nies. Subyou wird erst seit wenigen Tagen ausgeliefert. Die taz hat „Tropical White Rum“ probiert, es schmeckt eiskalt serviert tatsächlich verboten gut.