: 200 Störfälle im Atomlager Asse
ATOMKRAFT Eine neue Liste dokumentiert reihenweise Betriebsstörungen. Sorgloser Umgang mit verstrahlten und leckgeschlagenen Fässern gefährdete Mitarbeiter
VON JÜRGEN VOGES
Bei der Einlagerung des Atommülls im ehemaligen „Versuchsendlager“ Asse hat es mindestens 200 Störfälle gegeben. Das geht aus einer Auflistung von „Betriebsstörungen bei der Einlagerung“ hervor, die ein verantwortlicher ehemaliger Mitarbeiter des Bergwerks im vergangenem Jahr mithilfe archivierter Protokolle erstellt hat. Demnach wurden immer wieder Atommüllfässer in das Atommülllager geliefert, deren Außenseite mit radioaktiven Partikeln kontaminiert war. Häufiger kamen dort auch Behälter an, die radioaktive Flüssigkeiten oder Schlämme enthielten, deren Einlagerungen nicht erlaubt war. Gelegentlich waren diese Fässer auch schlicht kaputt. Einzelne Fässer strahlten zudem so stark, dass ein Aufenthalt in ihrer Nähe das Personal erheblich gefährdete.
Die 24-seitige Auflistung, die das Bundesamt für Strahlenschutz jetzt veröffentlicht hat, beschreibt jeweils in Stichworten 176 „Störfälle bei der Einlagerung schwachradioaktiver Abfälle“, 22 „Störfälle bei der Einlagerung mittelradioaktiver Abfälle“ und zwei weitere Störfälle bei der Umlagerung von Atommüll innerhalb des ehemaligen Salzbergwerks. Bei Umlagerungen von Fässern platzte etwa 1980 ein ursprünglich aus dem AKW Gundremmingen angeliefertes Fass. Dadurch wurden 10 Quadratmeter Fahrbahn mit radioaktivem Cobalt und Cäsium kontaminiert. Gemessen wurde eine Strahlung von 40.000 Becquerel pro Quadratzentimeter.
Zusammengestellt wurde die Liste, nachdem das Atommülllager im vergangenen Sommer wegen der illegalen Entsorgung kontaminierter Lauge in die Schlagzeilen geraten war. Der ehemalige Mitarbeiter wertete bis Dezember Kontrollbücher, Kontaminationsberichte und andere Akten aus, die die Einlagerung der 126.000 Atommüllfässer in der Asse dokumentieren. Als Spitzenwerte für die Strahlung, die aus einzelnen Fässern nach außen drang, gibt die Auflistung mehrfach 3 und einmal auch 5 Rem pro Stunde an – ein Zigfaches der normalerweise zulässigen Dosis. Umgerechnet in die heute gängige Einheit für die Strahlenbelastung sind dies 30 oder 50 Millirem pro Stunde. Die erlaubte Jahresdosis für Personen, die beruflich radioaktiven Strahlen ausgesetzt sind, beträgt 20 Millirem.
Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz ist die Liste keineswegs vollständig. „Wir wissen von weiteren Betriebsstörungen, die in der Aufstellung nicht enthalten sind“, sagte BfS-Pressesprecher Florian Emrich.