DER GESETZGEBER MUSS KLARSTELLEN, WAS ERLAUBT IST UND WAS NICHT : Fremdnützige Forschung
VON KLAUS-PETER GÖRLITZER
Der Forschungsverbund MRNET zur genetischen Erforschung geistiger Behinderung, gefördert aus Steuergeldern, ist in der Bundesrepublik ohne Beispiel – und er wirft grundsätzliche Fragen auf: Was bringt es den jungen Studienteilnehmern und ihren Angehörigen, wenn Genforscher durch Analyse ihrer Blutproben und Daten feststellen, dass ein bestimmtes Gen für eine bestimmte Behinderung ursächlich sein soll?
Hilft solches Wissen, den Alltag besser zu bewältigen, Benachteiligungen und Stigmatisierung zu überwinden? Eröffnet es in absehbarer Zeit wirklich Optionen für therapeutische Maßnahmen, wie Humangenetiker sie verheißen?
Oder ist es nicht wahrscheinlicher, dass sich der wissenschaftliche Ehrgeiz nach dem Identifizieren verdächtiger Gene perspektivisch darauf beschränken wird, lukrative Gentests zu entwickeln, die das „Angebot“ vorgeburtlicher Diagnostik erweitern werden?
Der hartnäckige Vorstoß der Bundesvereinigung Lebenshilfe gibt Anlass innezuhalten, nachzudenken und empirisch begründete Antworten einzufordern, vor allem auch zu angeblichen oder tatsächlichen therapeutischen Erfolgen genmedizinischer Ansätze.
Sollten Förderer und Geförderte es jedoch vorziehen zu schweigen, drängt sich die Frage nach der Legitimität staatlicher Unterstützung auf.
Und selbstverständlich hat die deutsche Öffentlichkeit einen Anspruch auf die von der Lebenshilfe angemahnte „politische Klärung“. Dabei geht es nicht nur darum zu erklären, ob und warum die multizentrische MRNET-Studie fremdnützig sein soll oder nicht.
Notwendig ist auch eine eindeutige Positionierung zu einer grundsätzlichen Frage, die angesichts des jahrelangen Widerstands gegen die Bioethikkonvention längst geklärt schien: Sind Parlament und Regierung willens und bereit, an der Ablehnung fremdnütziger Forschung mit geistig behinderten, demenzkranken oder anderen nicht einwilligungsfähigen Menschen festzuhalten?
Die Volksvertreter sind nun am Zug. Bleibt zu hoffen, dass sie sich nicht einfach hinter Voten von Ethikkommissionen verstecken, die hinter verschlossenen Türen tagen und ihre Bewertungen weder im Detail offenlegen noch rechtfertigen müssen.