DER RECHTE RAND: Umstrittene Straftaten
Wie kriminell darf ein Neonazi sein? In Schleswig-Holstein und Niedersachsen fragen sich NPD und „Freie Kameradschaften“ (FK) derzeit, inwieweit Straftaten ihrer Gesinnungsfreunde dem bemüht bürgerlichen Image zuwiderlaufen. Aktueller Anlass der wiederkehrenden Debatte: Die Rede des schleswig-holsteinischen Ex-NPD-Landeschef Peter Borchert in Lübeck.
Am Samstag trat Borchert beim dortigen NPD-Marsch ans Mikrofon. Der über 30-Jährige, der auch den Neumünsterschen Nazitreff „Club 88“ mit geführt hat, hat insgesamt zehn Jahre in Haft verbracht. Einer der Gründe: Ein Tötungsdelikt. Der Verdacht auf mehrere Tankstellenüberfälle erhärtete sich nicht. Nach seiner Haftentlassung nach vier Jahren im Oktober 2007 wegen Handels mit Schusswaffen, marschierte er sofort bei einer Solidaritätsdemonstration für den „Club“ mit. Ein Deal vor Gericht verhinderte, dass Borchert sagte, ob der Waffenhandel politisch motiviert war oder erwerbskriminellen Zwecken diente.
„Ist es clever, einen derart vorbestraften Redner in einem Bundesland auftreten zu lassen, wo im Mai Kommunalwahlen stattfinden?“ hat jetzt das Szene-Internetforum „Altermedia“ gefragt. Man befürchtet, dass bei der NPD „mit solchen Aktionen mehr öffentliche Angriffsflächen“ entstehen könnten. Das „Aktionsbüro Norddeutschland“ steht hinter dem „Mitkämpfer“. „Eine unnötige öffentliche Debatte“, meint man dort.
Vorstrafen wegen „Eigentumsdelikten“ bei den „Autonomen Nationalisten Nord/West“ führten derweil zu Distanzierungen. Mit jener FK aus der Region Soltau wollen die „Freien Nationalisten Niedersachsen“ nichts mehr zu tun haben. Etwas lässiger reagierte FK-Kader Christian Worch. Er denkt zwar, dass Borchert „in der Tankstellensache“ schuldig sei, „aber inzwischen gibt es Kameraden die in Sachen Kriminalität noch ganz andere Dinge angestellt haben“. Sein Vorschlag: Niemanden ausgrenzen.
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