: Schlechter Kaffeesatz
Esso und Tchibo werben mit einem Slogan, der an das Konzentrationslager Buchenwald erinnert – aus Versehen
Mit dem Spruch „Jedem den Seinen“ wollte Tchibo in Esso-Filialen möglichst viel Kaffee loswerden. Nun sind allerdings eher der Ruf und eine Menge Geld für unnütze Werbemittel weg. Die beiden Unternehmen mussten die aktuelle, gemeinsame Kampagne in 700 Tankstellen nämlich zurückziehen, weil der Slogan eine Variation der von den Nationalsozialisten missbrauchten Redewendung „Jedem das Seine“ ist. Diese stand am Eingangstor zum Konzentrationslager Buchenwald.
Erst eine Anfrage der Frankfurter Rundschau machte Esso und Tchibo auf die Missverständlichkeit ihrer Plakataktion aufmerksam. „Leider ist es vorher niemandem aufgefallen“, sagt Tchibo-Sprecherin Angelika Scholz und schiebt die Verantwortung für den Schuss Naziwerbung im Kaffee den Kollegen von der Tankstellen-Kette zu. „Die Kampagne wurde von Esso gestaltet. Die machen das jedes Frühjahr für uns.“ Bei denen reicht man die Schuld allerdings auch weiter: Die zuständige Werbeagentur habe die historische Bedeutung des Satzes offenbar nicht erkannt.
Dass es in allen Instanzen sowohl bei den Reklame-Profis als auch bei Esso und Tchibo an Geschichtskenntnissen mangelt, findet der Deutsche Werberat erschreckend, kann es sich aber durchaus erklären. „Man kennt den Satz aus der Alltagssprache“, sagt Sprecher Volker Nickel. „Offensichtlich haben alle Filter versagt, weil kein Wissen vorhanden war, dass dahinter irgendetwas anderes stecken könnte.“ Er glaubt, dass die fehlgeleitete Kaffeekampagne nur ein Symptom für die gesellschaftliche Entwicklung ist. „In 40 Jahren wissen wahrscheinlich noch weniger Menschen über die Bedeutung solcher Sätze Bescheid“, sagt er. „Deswegen ist es Aufgabe der Schulen und Medien, dass die Ereignisse während des Nationalsozialismus in unseren Köpfen wach bleiben.“
Doch bei „Jedem das Seine“ scheint auch wiederholtes Entsetzen und Pochen auf die Historie nicht sehr lehrreich zu sein. Denn das Gedächtnis der Werbewirtschaft versagte bereits zuvor – und zwar mehrmals: 1998 bei Nokia und Rewe, 1999 bei Burger King und 2001 bei der Münchner Merkur Bank. Alle Aktionen nutzen Variationen des Satzes und endeten damit, dass die Unternehmen sich für den Ausrutscher ins Nazi-Sprachgut entschuldigten.
Prospekte, Poster und Handzettel wurden eingestampft. Die Erinnerung an das Missgeschick scheinbar auch. ANNIKA KÜHN