: NPD-Liedermacher kann auf milderes Urteil hoffen
Karlsruhe hat Verurteilung des rechtsradikalen Barden Frank Rennicke aufgehoben. Der will Bundespräsident werden
FREIBURG taz ■ Die NPD hat am Wochenende den rechtsradikalen Liedermacher Frank Rennicke als ihren Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten benannt. Die Partei weist darauf hin, dass eine Verurteilung Rennickes wegen Volksverhetzung vom Bundesverfassungsgericht schon im Vorjahr aufgehoben wurde. Karlsruhe hatte dies nicht bekannt gemacht.
Frank Rennicke, Jahrgang 1964, versteht sich als nationaler Liedermacher. Musikalisch orientiert er sich an Reinhard Mey und Hannes Wader. Seine Texte handeln vom „Mädel mit der Fahne“ und den „besten Soldaten der Welt“. Rennicke war bis zur Auflösung 1994 in der Wiking-Jugend aktiv, heute gehört er der NPD an.
Das Amtsgericht Böblingen verurteilte Rennicke im Jahr 2000 wegen Volksverhetzung zu 10 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, vor allem wegen des sogenannten „Heimatvertriebenenlieds“. Dabei beschreibt der Sänger die Situation der Deutschen in der Bundesrepublik als „Knechtschaft“ in der Heimat. Das Hetzlied endet mit den Zeilen: „Amis, Russen, Fremdvölker raus – endlich wieder Herr im eigenen Haus.“ In der Begründung des Amtsgerichts heißt es, damit werde die Wiederherstellung des Dritten Reiches propagiert und zur Gewaltanwendung gegen Ausländer aufgerufen. Das Landgericht Stuttgart bestätigte 2002 das Urteil, erhöhte aber die Strafe auf 17 Monate mit Bewährung.
Im März 2008 hob das Bundesverfassungsgericht die Verurteilung weitgehend auf. Rennicke sei in seiner Meinungsfreiheit verletzt, hieß es in der Kammerentscheidung. Die Strafurteile enthielten „keine hinreichend nachvollziehbaren Argumente“, warum das Lied eine Wiederherstellung des NS-Regimes und Gewalt gegen Ausländer propagiere. Eine echte Abwägung mit der Meinungsfreiheit sei gar nicht erst vorgenommen worden. Das Landgericht Stuttgart muss über den Fall neu entscheiden, was noch nicht erfolgt ist.
Zumindest teilweise bleibt Rennickes Verurteilung aber bestehen. Das Amtsgericht hatte dem Sänger auch eine Leugnung des Holocaust vorgeworfen. Einer Warensendung seines Versandhandels habe er eine entsprechende Broschüre beigelegt, was das Böblinger Gericht ebenfalls als Volksverhetzung wertete. Dagegen hatte auch das Bundesverfassungsgericht keine Einwände: „Erwiesen unrichtige Tatsachenbehauptungen“ seien nicht vom Grundgesetz geschützt.
Erstaunlicherweise hat Karlsruhe seine Entscheidung im letzten Jahr nicht publik gemacht, obwohl sie doch den bekanntesten rechtsradikalen Liedermacher in Deutschland betraf. Außerhalb einschlägiger Kreise war Rennickes Erfolg in Karlsruhe deshalb nicht bekannt.
Dass das Verfassungsgericht die Aufhebung von Strafurteilen gegen Rechtsradikale nicht an die große Glocke hängt, ist fast schon üblich. Auf eine Mitteilung verzichtete das Gericht auch 2006, als es entschied, die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ sei keine NS-Parole und ähnele auch keiner solchen. Ebenso verfuhr Karlsruhe Ende letzten Jahres, als es die Verurteilung eines Rechtsradikalen beanstandete, der die deutsche Fahne mit der Bezeichnung „schwarz-rot-senf“ verunglimpft haben soll. Meist wurden derartige Entscheidungen der Verfassungsrichter erst über Umwege bekannt und führten nachträglich zu erheblichen Diskussionen.
CHRISTIAN RATH