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Archiv-Artikel

Bekenntnisse eines Hochstaplers

In „So glücklich war ich noch nie“ von Alexander Adolph betrügt ein Betrüger sich selbst

Hochstapler sind im Grunde Schauspieler - nur ihre Bühne ist eine andere. Sie schlüpfen ständig in Rollen, haben ein genaues Gespür dafür, was sie ihrem Publikum vorspielen müssen um es zu überzeugen, und wenn sie gut sind, nimmt man ihnen auch noch die absurdesten Geschichten ab. Dadurch entsteht ein reizvoller Doppelungseffekt bei Devid Striesow, der in „So glücklich war ich noch nie“ einen jener Betrüger spielt, der selber auch ständig einen anderen spielt. Wer er wirklich ist, scheint nur in einzelnen Augenblicken durch, in denen Striesow den ganzen Charakter tatsächlich mit dem Ausdruck seiner Augen vermittelt. Und dann wird klar, dass dieser Frank sich selber wohl auch nicht kennt. Er träumt sich in die von ihm gespielten erfolgreichen Menschen hinein, und weil er sich so sieht, sehen ihn auch seine Opfer als vertrauenswürdige Lebemänner, denen sie ihr Geld förmlich aufdrängen. Diese Stärke ist zugleich seine Schwäche, denn schließlich fällt er auf seine eigenen Tricks herein.

So etwa in der virtuosen Anfangssequenz, in der er in einer Boutique Einkäufe macht und so in seiner Rolle des vermögenden Gentlemans aufgeht, dass er einer schönen Kundin den Mantel, den diese nur anprobiert, gleich schenken will. Zwar flackert sein Blick ein wenig, wenn die Verkäuferin mit seiner Kreditkarte in der Hand an der Kasse zögert, aber um das zu erkennen, braucht es schon eine Nahaufnahme. In dieser Sequenz zeigt uns der Regisseur Alexander Adolpl seinen Protagonisten von seiner besten und seiner schwächsten Seite. Und er führt nebenbei auch noch elegant die zweite Hauptfigur ein, denn die blonde Frau, der Frank schließlich nur noch traurig nachblicken kann, wird von Nadja Uhl verkörpert. Auch sie hat in der Boutique eine Rolle gespielt, auch sie ist als die Prostituierte Tanja eine professionelle Darstellerin, und deshalb gehört sie zu den wenigen, die Frank sofort durchschauen können.

Auf einer Ebene erzählt der Film nun die romantisch, traurige Geschichte “das leichte Mädchen und der Hochstapler“ (so der Presseheft), in der Frank sich in Tanja verliebt und Geld zusammen schwindelt, um sie aus einem Bordell freizukaufen. Das ist intelligent und mit einer ganz eigenen Mischung aus Witz und Gefühl inszeniert, aber interessant wird der Film immer dann, wenn er zeigt, wie Frank arbeitet. Alexander Adolph hat 2006 mit „Die Hochstapler“ debütiert, in dem vier Betrüger von ihrem Leben, ihren Taten und Opfern erzählten. Jetzt wirkt diese Dokumentation wie eine Vorstudie zum seinem ersten Spielfilm, denn anders als sonst im Kino wirken die Betrügereien hier nicht wie Kopfgeburten (und wohl auch klammheimliche Machtfantasien) der Autoren. Statt dessen zeigt Adolph genau, wie die Gier der späteren Opfer geweckt wird, wie der Hochstapler genau spürt, wenn er diesem Publikum vorspielen muss, um an sein Ziel zu kommen, und wie seine Betrügereien schließlich eine Eigendynamik entwickeln, die ihn selber mitreißt sodass er selber jedes Gefühl dafür verliert, wann es Zeit ist, das Spiel zu beenden und seine Gewinne zu kassieren. Ein wenig hat sich bei Alexander Adolph allerdings eine Art von Stockholm-Syndrom entwickelt. Bei alle den Gesprächen mit den realen Hochstaplern scheinen sie ihm wohl ein wenig ans Herz gewachsen zu sein, und so sind die Opfer durchweg unsympathischer gezeichnet als der Täter. Dem gibt Devid Striesow in den entscheidenden Momenten solch einen unschuldigen Blick, dass man ihm einfach nicht böse sein kann. Oder ist das nun die Rolle hinter der Rolle hinter der Rolle?

WILFRIED HIPPEN