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Archiv-Artikel

Arabboy alternativlos

KIEZTHEATER Die Theatergruppe „Heimathafen Neukölln“, seit April im Saalbau, zeigt ein Stück über die dunkle Seite des Bezirks. „Arabboy“ ist hervorragend – und dennoch entlässt es das Publikum ratlos

Theater und Buch

■ „Arabboy“ im Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Str. 141: Sa./So., 4./5. Juli; Fr./Sa. 10./11. Juli jeweils um 20.30 Uhr. Eintritt 13, ermäßigt 8 €

■ Romanvorlage: „Arabboy: Eine Jugend in Deutschland oder Das kurze Leben des Rashid A.“, von Güner Balci, S. Fischer Verlag 2008. geb., 288 Seiten, 14,90 €

VON ALKE WIERTH

Heimathafen Neukölln: Der in Berlin geborene Flüchtlingssohn Rashid geht den Weg der Gewalt. Nachdem er von der Schule fliegt, versinkt er vollends in der Welt der Drogen und Kriminalität. Das kann kein gutes Ende nehmen.

Mit dem Stück „Arabboy. Das kurze Leben des Rashid A.“ landete das seit April im Neuköllner Saalbau ansässige Theater „Heimathafen Neukölln“ einen echten Publikumsrenner: Ausverkaufte Vorstellungen und Standing Ovations zeichnen das Stück aus. Und zwar völlig zu Recht – denn das nervenaufreibende und tosende Leben, das die drei DarstellerInnen Hüseyin Ekici, Sinan Al-Kuri und Inka Löwendorf auf die Bühne bringen, ist mitreißend.

Ohne jede Parteinahme

Der 18-jährige Ekici spielt Rashid, die beiden anderen Darsteller alle anderen 17 Rollen des Stücks. Und das in jedem Fall so überzeugend und fesselnd, dass man durch ihre auf der Bühne stattfindenden Verwandlungen nicht ein einziges Mal irritiert wird.

Schwächen hat allerdings das Stück: Es bleibt unklar, warum dem Protagonisten offenbar kein anderes als ein von Gewalt und Kriminalität geprägtes Leben offensteht, warum auch nie jemand außer seinem müden Vater ihn von diesem Weg abzuhalten versucht. Dieser Mangel, der die Figuren teils wie Prototypen, wie Automaten ohne jede Reflexion ihres Tuns wirken lässt, entspringt der Vorlage des Stücks: Das Buch „Arabboy“ der ehemaligen Neuköllner Sozialarbeiterin und heutigen Fernsehjournalistin Güner Balci beschreibt das Leben des Rashid mit dem Blick eines Wissenschaftlers auf eine Labormaus: ohne jede emotionale Anteil- oder Parteinahme.

Genau das macht das Stück heikel. Denn die quasi-dokumentarische Vorlage der Autorin beantwortet nicht die Frage: Warum läuft Rashids Leben so schief? Sie bleibt auf der Ebene der Stereotype: Der Protagonist, aufgewachsen in einem Haus voller Flüchtlinge, von der Schule geflogen, drogenabhängig, bleibt wie alle anderen Personen des Stückes scheinbar ohne jede alternative Handlungsmöglichkeit – sein Schicksal ist unbeeinflussbar.

„Manches ist ein bisschen übertrieben“

HÜSEYIN EKICI, SCHAUSPIELER

Kein Wunder deshalb, dass die Frage, die das überwiegend deutsche, junge, studierte Publikum nach der Vorstellung hörbar am stärksten beschäftigt, diese ist: Sind sie wirklich so?

Diese Frage sei ihm auch ziemlich oft gestellt worden, sagt Hauptdarsteller Hüseyin Ekici. Er ist selbst in Neukölln geboren und aufgewachsen, hat an der Otto-Hahn-Gesamtschule seinen Hauptschulabschluss gemacht. Seine Antwort auf diese Frage lautet so: „Manches ist auf jeden Fall ein bisschen übertrieben.“ Klar gebe es in Neukölln Jugendliche, „die so krass drauf sind. Weil viele keine Hoffnung haben.“

Ekici gehört nicht dazu: Er bemüht sich derzeit um die Aufnahme an einer Schauspielschule. Dass das schwer ist, weiß er. Hoffnung hat er dennoch: „Man muss kämpfen um etwas.“