DAUMENKINO : „The Congress“
Eine nicht mehr ganz junge Starschauspielerin (Robin Wright) muss sich von ihrem Agenten (Harvey Keitel) sagen lassen, dass schon länger keine Angebote mehr eingehen. Ihre Leinwandzeit sei abgelaufen, sagt der Agent und nimmt eine schonungslose Karrierebilanz vor. Die Szene ist in anklagenden Großaufnahmen gefilmt; eine sehr laute und sehr dekorative Träne fragt: Dieses immer noch schöne Frauengesicht soll keinen Bildwert mehr besitzen? Herrscht neuerdings etwa Jugendwahn in Hollywood?
Ari Folmans „The Congress“ ist in diesem Erkenntnismoment weder feministisch noch satirisch gestimmt, sondern gefällt sich selbst beim Aufsagen bierernster Empörungssätze. Wäre dieser Film nicht so unfassbar langatmig, könnte man den ausgelösten kulturkritischen Großalarm natürlich aus Durchhaltegründen einfach als Parodie rezipieren und amüsant finden.
Auftritt fieser Studioboss (Danny Huston). Er schlägt der Schauspielerin einen innovativen Lizenzierungsdeal vor: „Miramount“ scannt sie in einem alle möglichen Ausdrucksformen erfassenden Verfahren ein und darf mit dem digitalen Datenmaterial so ziemlich jeden Film drehen, ohne dass die Schauspielerin dazu noch eigens auf einem Set erscheinen müsste. Auch Hollywood hat eine Vision von Big Data.
Dass die Schauspielerin dieser Offerte rasch zustimmt, wird mit einer seltsamen Backstory rund um einen dauertraurigen Jungen mit rotem Drachenflieger plausibilisiert. Dann ein Schnitt: 20 Jahre später. Die Zukunft ist so schlimm wie erwartet. Aus den faltenfreie Gesichter bevorzugenden Filmstudios sind mächtige Pharmakonzerne geworden. Kino war gestern: Synthetische Drogen halten halluzinogene ästhetische Erfahrungen bereit. Der Verblendungszusammenhang schließt die letzten Fluchtwege.
Zur Veranschaulichung des gesellschaftsweiten Realitätsverlusts, an dem die gescannte Schauspielerin mit dem superstumpfsinnigen Franchise „Rebel Robot Robin“ irgendwie mitschuldig ist, springt „The Congress“ im zweiten Teil in den Animationsfilmmodus. Kenner des Genres dürften erkennen, dass hier die Looney-Tunes-Serie und Ralph Bakshis Arbeiten als Vorbilder dienten.
Im allgemeinen Durcheinander dieser schwerfälligst zusammengerührten Kulturpessimismen, die ausgesprochen humorlos an Stanislaw Lems antikommunistische Science-Fiction-Satire „The Futurological Congress“ angelehnt sind, taucht schließlich immerhin die Stimme von Don Draper auf – und spricht von Rettung. SIMON ROTHÖHLER
■ „The Congress“. Regie: Ari Folman. Mit Robin Wright, Harvey Keitel u. a. Israel 2013, 122 Min.