: Straßen aus Zucker
„Wir wollen die Freiheit der Welt und Straßen aus Zucker“ – kritischer Lesestoff für junge Menschen
■ Die kritische, linke Jugendzeitung erscheint zweimal pro Jahr und kann online kostenlos bestellt werden. Die nächste Ausgabe wird im April 2012 erscheinen.
■ Im Netz:
Straßen aus Zucker ist eine linksradikale Jugendzeitung, die halbjährlich erscheint. In der Redaktion arbeiten zur Zeit rund zwanzig Jugendliche und junge Erwachsene zwischen Anfang zwanzig und Anfang dreißig mit, die aus verschiedenen linken Zusammenhängen stammen. Die Zeitung wurde im Frühjahr 2009 mit dem Ziel gegründet, jungen Leuten Gesellschaftsverhältnisse jenseits von autoritären oder einschüchternden Methoden zu erklären. „Wir wollen Jugendliche zum Weiterlesen anregen, ihnen Theorie schmackhaft und auch ohne Vorwissen verständlich machen“, erklärt Leia, eine Redakteurin, das Anliegen von Straßen aus Zucker.
Für die Zeitung ist kein Thema tabu. Sie hat den Anspruch, alle gesellschaftlichen Phänomene kritisch zu betrachten und Herrschaftsverhältnisse zu hinterfragen. Auf den vierundzwanzig Seiten stellen die RedakteurInnen Schwerpunktthemen wie Religion, Rassismus oder soziale Bewegungen mit alltagsnahen Beispielen dar, die an die Erfahrung der LeserInnen anknüpfen sollen. Fremdwörter und große Theoriebegriffe werden in den Artikeln selten verwendet und wenn doch, einfach erklärt. Mit unterschiedlichen Formaten wie Interviews mit KünstlerInnen, Falttaschenbüchern und Do-it-yourself-Anleitungen, die zusätzlich zu den üblichen Artikeln erscheinen, wollen die RedakteurInnen die Zeitung auflockern. Anfangs gab es noch einen Terminkalender, weil die Zeitung aber zeitlos als Weiterbildungsmittel einsetzbar sein soll, werden Veranstaltungshinweise jetzt auf Facebook und Twitter gepostet, während nur noch einzelne Verweise auf Seminare in der Printausgabe abgedruckt werden.
Die Zeitung ist nicht nur ein Projekt mit Außenwirkung, sondern dient auch der Weiterbildung der RedakteurInnen selbst. Jeder Artikel wird kollektiv diskutiert, weshalb die Plena gerne auch mehrere Stunden in Anspruch nehmen. „Trotz konzentrierten Arbeitens haben wir aber extrem viel Spaß auf den Redaktionssitzungen, weil wir viel rumalbern und uns eine angstfreie Atmosphäre wichtig ist“, beschreibt Timm, ein Redakteur, die Zusammenarbeit.
Niemand muss sich in der Redaktion dumm fühlen, es werden keine langen Vorträge gehalten und Namedropping ist verpönt. Das Schreiben der Artikel bringen sich die RedakteurInnen selbst bei, wobei sie sich gegenseitig helfen. Alle editieren die Zeitung gemeinsam und jede Ausgabe wird nach Erscheinen kollektiv ausgewertet. Zu jeder Ausgabe findet auch ein internes Seminar zur eigenen Weiterbildung statt, bei dem externe ReferentInnen einzelne Themen vorstellen. Für eine Ausgabe zu Alltagskritik wurde beispielsweise eine Referentin eingeladen, die die Darstellung von Sexualität anhand der Zeitschrift Bravo vorstellte.
Die RedakteurInnen verteilen Straßen aus Zucker vor Schulen und in der U-Bahn, verschicken sie kostenlos, bestücken Infoläden und befreundete Gruppen, die ihrerseits die Zeitung weiterreichen. Sie wird auch als Lese- und Diskussionsmaterial auf den Sommercamps der Jungen Linken und der Naturfreundejugend Berlin verwendet. Die Zeitung ist nicht nur bundesweit, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum erhältlich, in Österreich existiert seit Anfang 2011 die Zeitung Zimt und Zucker, die den Inhalt von Straßen aus Zucker weitgehend übernimmt und nur um wenige österreichische Spezifika abwandelt. Für die zweite Jahreshälfte plant die Redaktion, zusätzlich eine internationale Ausgabe zu drucken. Momentan sind auf der Webseite der Gruppe schon Artikel auf Englisch zu lesen, zukünftig sollen sie auch auf Türkisch, Spanisch und Italienisch erscheinen.
Um die Druckkosten zu decken, organisiert die Redaktion häufig Solipartys, auf denen auch Merchandiseprodukte wie T-Shirts verkauft werden. Es fand auch eine bundesweite Partyreihe statt, die die Zeitung in kleineren Orte bekannt machen sollte. Doch selbst beim Feiern geht der politische Anspruch nicht verloren: Vor der letzten Party boten die RedakteurInnen an, die Zeitung in einem Lesekreis gemeinsam zu diskutieren.
Das Konzept findet großen Anklang bei den LeserInnen: Die Auflage hat sich seit Beginn des Projekts auf 90.000 Exemplare mehr als verdoppelt und in Leserbriefen wird mit Lob und Kritik nicht gespart.
Für die früher offenen Treffen gibt es momentan einen Aufnahmestopp, weil sie bei zu vielen TeilnehmerInnen nicht mehr koordinierbar waren. Trotz dieser Beschränkung können aber alle Interessierten die Zeitung lesen und dabei der „ganzen Süße einer befreiten Gesellschaft“ einen Schritt näherkommen, wie Leia das langfristige Ziel von Straßen aus Zucker beschreibt.
ZOÉ SONA