: Teufel wispern in den Herzen der Menschen
MEDITATION „Bal“ (Wettbewerb) beeindruckt durch eine nie aufgesetzt wirkende Wortkargheit und wunderschöne Naturaufnahmen
VON DETLEF KUHLBRODT
Der türkische Wettbewerbsbeitrag „Bal“ von Semi Kaplanoglu war noch etwas müde. Früh hatte er fern der Großstadt aus den Federn gemusst, um um neun bereits „eine gute Zeit vorzulegen“. Die U-Bahn war voll gewesen; er dachte an Koji Wakamatsus „Caterpillar“, der tags zuvor kein Kindergeburtstag gewesen war. Im Kino roch es leicht verschlafen – ein bisschen nur, sehr angenehm – nach Hotel-Duschgel; vielleicht Marke „Grüner Tee“.
„Bal“ spielt in einer schönen Bergwaldlandschaft. Yusuf, der Held des Films, ist sechs und muss wie die meisten Kinder immer früh aufstehen. In der Grundschule lernt er Lesen und Schreiben. Sein Vater Yakup ist Bienenzüchter, ein Beruf, der aus anderen türkischen Filmen vertraut ist. Die Bienenkörbe hängt er in die obersten Wipfel der größten Bäume. In der Eingangsszene denkt man zunächst, er wolle sich erhängen, doch das Seil, dass er mit geübtem Schwung nach oben wirft, damit es sich an einem Ast verfängt, dient dazu, den Baum zu erklettern. Es knackt, fast bricht der Ast, an dem das Seil hängt. Schreckensstarr hängt Yakup in der Luft, dann beginnt die eigentliche Handlung des Films mit einem Traum, den der kleine Yusuf seinem Vater erzählt. Der Vater sagt, seine Träume dürfe man nur flüsternd und nicht jedem verraten. Mehrmals wird das Flüstermotiv wieder aufgenommen, etwa wenn ein Imam dem kleinen Jungen vom Teufel erzählt, der in den Herzen der Menschen wispert. Hernach kann Yusuf nur noch stottern. Überraschend verschwinden die Bienen aus der Gegend, die Lebensgrundlage der Familie droht wegzubrechen; der Vater bricht ins entfernte Gebirge auf. Tage vergehen, er kehrt nicht zurück.
„Bal“ beeindruckt durch eine nie aufgesetzt wirkende Wortkargheit und wunderschöne Naturaufnahmen, großartig komponierte Bilder von Innenräumen, durchgehend angenehm zurückhaltend agierende Schauspieler und eine richtig gute Tonspur. Wie schön sieht es aus, wenn sechsjährige Kinder rennen! Es ist ein sehr meditativer Film, in dem Sinne, dass Meditation ja mit Langeweile beginnt, die der Geübte auszuhalten gelernt hat. Manchmal beißt man sich auf die Lippen, aber es lohnt sich. Der viel im Halbdunkel spielende Film zeigte dem Berlinale-Palast auch seine Schwächen auf. Die Notausgangsschilder zerstörten manche Bilder.
■ Heute, 9.30 Uhr und 18.30 Uhr, Friedrichstadtpalast; 18. 2., 18.30 Uhr, Capitol Dahlem; 21. 2., 15.45 Uhr, Friedrichstadtpalast