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Archiv-Artikel

Angeln wäre eine Lösung

KINO MIT MISSION Mit seinem Film „Sushi – The Global Catch“ agitiert Mark S. Hall gegen den massenhaften Fang von Blauflossenthunfischen

Mark S. Hall geht es vor allem um Anschauungsmaterial für seine These

Es beginnt so vielversprechend: Man sieht einem japanischen Sternekoch über die Schulter, wie er sachte im Reis rührt, einen kleinen, feinen Haufen auf ein edles Tellerchen setzt, den Fisch filetiert und ihn mit einer Liebe und Sorgfalt auf dem Reishaufen drapiert, als würde er gerade sein Schlafzimmer für die erste Nacht mit der neuen Geliebten dekorieren. Ein Film über Sushi, wie köstlich!

Und wie schade! Denn der geneigte Zuschauer verliert nach spätestens 20 Minuten von „Sushi – The Global Catch“ nicht nur den Appetit auf Sushi (das ist schließlich auch gewollt). Er verliert auch die Lust auf diesen Film, der anfangs so schön nah ist an dem, was er zeigt, der sich aber zunehmend zu einem sehr amerikanischen Film mit sehr aufklärerischer Mission entwickelt, in dem es immer weniger um Sushi geht und um die, die es mögen, verwerten und zubereiten. Stattdessen drängt sich die klare politische Botschaft in den Vordergrund: Esst weniger Blauflossenthunfisch! Dieser Fisch wird sonst bald aussterben!

Der Filmemacher Mark S. Hall hat keine Mühe gescheut, er ist in alle Welt gereist, um die Entwicklung einer japanischen Spezialität, die ursprünglich als Imbiss von Straßenhändlern verkauft wurde, zu einer weltweiten kulinarischen Mode darzulegen. Der Film zeigt außerdem, wie sich dies auf die Bestände des Blauflossenthunfisches auswirkt, der überall als König des Thunfisches verehrt wird, aber auch ein hoch entwickelter Räuber ist, der „Porsche des Meeres“, dessen Minimierung das Gleichgewicht im Ökosystem Ozean empfindlich stört.

Dabei entdeckt Mark S. Hall auch vieles, was man wirklich noch nicht wusste: Zum Beispiel, dass Blauflossenthunfische überall auf der Welt gefangen werden, um anschließend, meist tiefgefroren, nach Japan transportiert zu werden. Hier werden sie an Händler in aller Welt verkauft, die sie wiederum an den Sushi-Konsumenten bringen. Und der will den Blauflossenthunfisch nun manchmal genau dort essen, wo er gefangen wurde – ein absurdes Hin und Her. Oder auch dies: Es gibt einen eindrucksvollen australischen Einwanderer, einen Gründer des ganz alten Schlags, dem es neuerdings gelungen ist, die ersten Blauflossenthunfische zu züchten. Oder dies: In wenigen japanischen Fischerdörfern wird der Blauflossenthunfisch noch nach einer Methode gefangen, die den Fisch am wenigsten beschädigt: Er wird geangelt. Reich wird man damit nicht, denn übers Jahr verteilt fängt man so nur sehr wenige Fische.

Bildsprache? Fehlanzeige!

Trotz all dieser interessanten Informationen hat der Filmemacher Mark S. Hall wenig Interesse an der Bildsprache seines Films. Das unterscheidet ihn von anderen Regisseuren, die vergleichbare Filme über die Schattenseiten unserer Ernährungsindustrie gemacht haben. Man denke nur an „Unser täglich Brot“ von Nikolaus Geyrhalter: In dessen streng komponierten Bildern kann man schier ertrinken. Und was noch schlimmer ist: Über die endlosen Illustrationen seiner längst fertigen These interessiert sich Mark S. Hall nicht im geringsten für seine steinalten Fischer, für seine in Fisch verliebten Sterneköche und die japanischen Genießer, die ja auch nichts dafür können, dass ihre Lebensgrundlage, ihre Herzensangelegenheit in den letzten Jahren derart kommerzialisiert worden ist.

Stattdessen bekommt man es am Ende mit einem sehr von sich selbst eingenommenen Umweltaktivisten zu tun, mit Casson Trenor von Greenpeace, der das erste „nachhaltige“ Sushi-Restaurant in San Francisco eröffnet hat. Derart lupenreine, politisch korrekte, so wahre wie langweilige Sätze sondert er ab, dass man am Ende dieses Films sofort ins nächste Sushi-Restaurant stürmen und mindestens drei Portionen Blauflossenthunfisch-Sashimi bestellen will.

SUSANNE MESSMER

■ „Sushi – The Global Catch“. Regie: Mark S. Hall, Dokumentarfilm, USA 2011, 75 Min.