: Heidi und andere Flüchtlinge
RADIO Zehn Jahre Hörspieltage und Verleihung des Deutschen Hörspielpreises (Kulturradio, 21.05 Uhr)
Heidi verlässt ihren Opa und die Alm. Ihre Tante Dete nimmt das kleine Mädchen mit nach Frankfurt. Auf den 10. ARD-Hörspieltagen, dem größten deutschen Hörspielfestival mit Verleihung des Deutschen Hörspielpreises, erhält Heidis Geschichte ein neues Narrativ: Menschen, die Asyl in Deutschland beantragten oder gewährt bekamen, erzählen Johanna Spyris Kinderroman nach.
„Es gab bei uns eine Diktatur, wir haben protestiert und aus diesem Grund wurden wir verhaftet, dann freigelassen und mussten wie Heidi gegen unseren Willen das Land verlassen“, sagt einer der Nacherzähler im Hörspiel. Sie flüchteten aus dem Iran, Somalia, Kongo, Togo, Angola, Usbekistan, Palästina, Georgien und Guinea und reflektieren in dem Hörspiel „Heidi Heimat“ ihre eigene Geschichte. „Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind“, sagt der Regisseur Robert Schoen, „sehen den Film mit anderen Augen“. Oft mischt sich die Geschichte mit eigenen Erfahrungen.
Neben „Heidi Heimat“ setzten viele Stücke auf den Hörspieltagen auf nonfiktive Elemente. So auch der Beitrag „Die Quellen sprechen“. Fünf jüdische Überlebende des Holocaust sowie zwei Schauspieler lesen historische Dokumente und berichten so vom Boykott und der Entrechtung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Im Stück „Traumrollen“ vermischen sich Realität und Fiktion, wenn Nadja Tiller und Fritz Lichtenhahn zwei Schauspieler im Seniorenheim spielen. Denn Tiller und Lichtenhahn selbst leben auch in einem.
Der Trend der Hörspieltage in Karlsruhe gehe zu „weniger reinen Studioproduktionen“, sagt Ekkehard Skoruppa, Hörspielchef des SWR und Leiter der Hörspieltage. „Die Produktionen gehen mehr raus, die Stücke sind situativer.“ Denn den Schauspielern wird oft nicht mehr der Text vorgegeben, sondern eine Situation. Sie sprechen frei. Das wirke authentischer. Auch Tina Klopp ging raus. Mit einem Rechercheteam folgte die Autorin Hinweisen der Radio-Bremen-Hörer und sucht „Unheimliche Orte“. Die Hörer trugen die Plätze in einer Karte auf der Seite des Senders ein. Klopp und ihr Team laufen die dunklen Bremer Fußgängertunnel, Hinterhöfe und den angeblichen Drogen-Dealer-Park für die Hörer ab. So richtig unheimlich wird es jedoch nicht.
Neben den zehn durch die ARD produzierten Hörspiele treten im „PiNball“-Wettbewerb auch einige freie Hörspielmacher an. Die fünf Stücke sind nur wenige Minuten lang. Es gewann „Jahrestag auf Parkbank“, ein Stück über zwei Freunde, die sich Jahr für Jahr auf einer Bank zum Biertrinken verabreden. Die Figuren unterhalten sich im Sprechgesang oder rappen zu Musik über Erkältung, ihr Studium und Freiheit.
Neben den von der Fachjury begutachteten Beiträgen in den vier Kategorien „PiNball“, ARD-Produktionen und zwei Kinderhörspiel-Wettbewerben konnten auch die Hörer abstimmen: Sie hatten online die Wahl zwischen zehn Stücken, die im Haus der ARD entstanden sind. Alle Gewinner der fünf Hörspielpreis-Wettbewerbe ehrt das Festival am Samstagabend.
SVENJA BEDNARCZYK
■ Am Samstag übertragen ab 21 Uhr SWR2, Bayern2, HR2-Kultur, WDR5, RB, MDR Figaro, RBB Kulturradio und der Videolivestream auf hoerspieltage.ard.de die Verleihung. Die Hörspiele können bis Montag auf der Seite angehört werden. Auch die Gewinnerstücke der vergangenen zehn Jahre sind verfügbar. Für Kinder wird am Sonntag ab 14.05 Uhr auf den Kulturradiosendern das Livehörspiel „Räuber Hotzenplotz“ übertragen.