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Archiv-Artikel

Osteuropäische Länder sind schon wieder hilfsbedürftig

KRISE Ungarn und Ukraine wollen neue Kredite vom IWF, Sparauflagen machen ihnen aber Probleme

Nicht die Banken, sondern die überschuldeten Staaten sind die größten Sorgenkinder

BERLIN taz | Mit Ungarn und der Ukraine hoffen zwei der von der Finanzkrise besonders stark betroffene Staaten auf erneute Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF). Am Wochenende befürworteten Fondsexperten die Gewährung eines Kredits in Höhe von umgerechnet 11,9 Milliarden Euro für die Ukraine. Beantragt hatte die Regierung unter dem russlandfreundlichen Präsidenten Wiktor Janukowitsch 15,1 Milliarden Euro. Die Entscheidung darüber soll Ende des Monats fallen, aber zuvor müsse das Land seinen Sparkurs verschärfen. Bereits vergangene Woche beschloss der IWF, dass Polen und Rumänien weiter Zugang zu Hilfsmitteln erhalten.

Ungarn hat unterdessen angekündigt, man strebe für die kommenden zwei Jahre eine vorsorgliche Vereinbarung mit dem IWF und der EU an. Darin solle es um Hilfen von 10 bis 20 Milliarden Euro gehen, die aber nur im Notfall in Anspruch genommen würden. Außerdem solle eine bestehende Kreditlinie bis Ende des Jahres verlängert werden.

Schon in dieser Woche wollen laut dem ungarischen Wirtschaftsminister György Matolcsy Regierungs- und IWF-Vertreter zu Gesprächen zusammentreffen. Im Herbst 2008 hatte Ungarn von IWF und EU ein Rettungspaket im Umfang von 20 Milliarden Euro erhalten. Für die Ukraine hatte der IWF 2008 in aller Eile rund 11 Milliarden Euro lockergemacht. Die Auszahlung war aber ausgesetzt worden, als sich der damalige Präsident Wiktor Juschtschenko nicht an die damit verbundenen Sparauflagen halten wollte und beispielsweise die Mindestlöhne und -renten um 20 Prozent erhöhte. Die Wahlen Anfang dieses Jahres verlor er trotzdem.

Auch EU-Mitglied Ungarn hat Probleme mit den Auflagen. Wirtschaftsminister Matolcsy stellte jüngst das Einhalten der Defizitgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2011 in Frage. Bei neuen Verhandlungen wolle man sich auf bestenfalls 3,8 Prozent einlassen.

Derzeit sind nicht mehr die Banken die größten Sorgenkinder, sondern die überschuldeten Staaten. Der neue IWF-Kredit für die Ukraine soll daher vor allem in die Haushaltssanierung fließen. Die Wirtschaft der Ukraine war 2009 um 15 Prozent geschrumpft, mit entsprechenden Folgen für Arbeitsmarkt und Steuereinnahmen des Staates. In Ungarn ging die Wirtschaftsleistung um 6,3 Prozent zurück. Die neue rechte Regierung hatte unlängst die Finanzmärkte durch die – später zurückgenommene – Mitteilung in Aufruhr versetzt, eine Krise wie in Griechenland sei kaum zu verhindern. Die Regierung in Kiew scheint sich derweil eine Hintertür gen Moskau offen zu halten. Im Juni gab es Meldungen, wonach Russland der Ukraine einen Kredit über 2 Milliarden Dollar gegeben habe. Kurz zuvor hatte der stellvertretende Ministerpräsident und Ex-Zentralbankchef Sergei Tigipko erklärt, „es wäre eine Option, sich um bilaterale Verbindungen und Kredite zu bemühen, auch mit Russland“. Man favorisiere IWF-Hilfen, könne sich aber auch anderswo Geld besorgen.

Im Frühjahr hatte Russland schon eine engere Kooperation mit der Ukraine vereinbart und den Preis für Gas gesenkt, nachdem Janukowitsch den Pachtvertrag für den Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim um 25 Jahre verlängert hatte. NICOLA LIEBERT