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Archiv-Artikel

Durch die Straße gehetzt zu werden, gehörte zum Alltag

DDR-VERGANGENHEIT Eine Diskussion beschäftigt sich mit den Erfahrungen jener, die als Fremde galten

Es war einer ihrer ersten Schultage. Die kleine Angelika wurde von Mitschülern in eine Ecke gedrängt, dann sangen sie mit den Fingern in ihre Richtung abfällig ein Chinesenlied. Das dauerte nur wenige Minuten. „Dann war alles wieder vorbei“, erzählt Angelika Nguyen im Zentrum für Demokratie in Schöneweide. „Bruderland ist abgebrannt“, heißt die Reihe, die sich mit Fremdheitserfahrung, Vertragsarbeitern, Antisemitismus und Nazis in der DDR beschäftigt.

Zuletzt war die Reihe von Altkadern in der Linkspartei heftig attackiert worden, auch deren ums Überleben kämpfende Postille Junge Welt knüppelte los (taz berichtete). Doch nun scheint den DDR-Nostalgikern die Puste ausgegangen zu sein: Bei der Veranstaltung am Mittwochabend über die „Erfahrung Fremdsein“ verlief die Debatte sachlich.

Nguyen, Jahrgang 1961, wuchs als eines der wenigen binationalen Kinder in Ostberlin auf. Der Vater kam aus Vietnam. Dass Kinder sie „Mischling“ schimpften, gehörte zum Alltag. Auch dass sie durch die Straßen gehetzt wurde. Aber auch dass ihre Mutter und Lehrerinnen sich öffentlich damit auseinandersetzten und der Hetzjagd ein Ende bereiteten. „Pogrome können durchaus nur Minuten dauern“, hat Angelika Nguyen, die heute Filmwissenschaftlerin ist, über ihre Kindheit geschrieben.

Patrice G. Poutrus wurde im selben Jahr wie sie geboren, ebenfalls im Ostteil Berlins. Sein Vater stammt aus dem Sudan. Mit Angelika Nguyen, die er damals nicht kannte, teilt der Historiker die Kindheitserfahrung, von fremden Leuten angestarrt zu werden. „Ich sah anders aus. Mir haben immer Unbekannte über den Kopf gestrichen. Das war mir sehr unangenehm.“

Der Umgang mit Fremden in der DDR war ambivalent. Internationalismus gehörte eigentlich zu ihren Grundfesten. Und man konnte ihn leben. An der Leipziger Uni etwa, wo viele ausländische Studenten lernten. Aber: Binationale Liebesbeziehungen waren nicht erwünscht. Und nichtdeutsche Partner hatten auch keinen Rechtsanspruch auf ein Bleiberecht. MARINA MAI