: „Ich vertraue meinem Humor“
COMEBACK Eine Todes-Fatwa aus dem Iran machte den Sänger Shahin Najafi weltbekannt. Ein Jahr musste er untertauchen. Damit soll nun Schluss sein
VON DANIEL BAX
Wenn ein Buch über einen Musiker in die Läden kommt, dann richtet sich das gewöhnlich an dessen Fans. Im Fall von „Wenn Gott schläft“ liegt die Sache etwas anders. Denn der Mann, dessen Musik in Teheran aus vielen Lautsprechern wummert, ist hierzulande einem breiten Publikum bestenfalls dem Namen nach bekannt. Vor einem Jahr wurde das Leben von Shahin Najafi von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt. Weltweit machte der Fall des „iranischen Eminem“ Schlagzeilen.
Als der in Deutschland lebende Iraner im Mai 2012 seinen satirischen Song „Naghi“ auf Youtube veröffentlichte, wurde er aus dem Iran heraus plötzlich mit dem Tode bedroht. Seine Gegner beriefen sich auf eine Fatwa eines greisen Klerikers aus der heiligen Stadt Qom, später kam noch ein Kopfgeld hinzu. Shahin Najafi musste untertauchen, der Publizist Günther Wallraff nahm den damals 31-Jährigen in seine Obhut.
Nun, ein Jahr später, erscheint das Buch „Wenn Gott schläft“, das den Menschen hinter der Nachricht, den Musiker Shahin Najafi und dessen Werk vorstellt. Auf seiner Webseite veröffentlicht dieser jetzt auch wieder neue Songs, gerade ist dort die akustische Rockballade „Marge Nazli“ erschienen.
Die Rückkehr ins Leben
Shahin Najafi ist inzwischen so weit, in Deutschland auch wieder Konzerte zu geben. „Ich fühle mich relativ sicher“, sagt der Musiker vor seinem Auftritt in Berlin. „Aber wir müssen weiter auf der Hut sein.“ Man wisse nie, ob sich noch immer jemand motiviert fühle, ihm nach dem Leben zu trachten. Doch davon will sich der Musiker nicht länger beirren lassen. „Ich führe wieder ein weitgehend normales Leben. Das Wichtigste ist für mich, dass ich wieder auftreten kann.“
Das Buch verbindet Autobiografisches mit ausgewählten Songtexten und Erläuterungen, unter anderem durch den Grünen-Politiker Omid Nouripour. Denn Shahin Najafi schöpft in seinen Texten oft aus der persischen Mythologie: Er nimmt historische Figuren und versetzt sie in die heutige Zeit, verbindet alte Legenden mit einer modernen, manchmal vulgären Alltagssprache. Aus traditionellen Verhältnissen stammend, kamen Nashafi schon früh Zweifel an der staatlich verordneten Religiösität im Iran. In seinen Liedern macht er sich gerne darüber lustig. Ohne Hintergrundwissen lassen sich seine Songs deswegen kaum verstehen. In „Naghi“ führt Najafi einen fiktiven Dialog mit dem zehnten Imam, einem direkten Nachfahren des Propheten Mohammed, der von den Schiiten im Iran verehrt wird.
Vor acht Jahren floh Shahin Najafi aus dem Iran, nachdem ihn dort ein Gericht wegen eines Auftritts in seiner Heimatstadt Bandar Anzali zu drei Jahren Haft und hundert Peitschenhieben verurteilt hatte. Anfangs landete er als Asylbewerber in einem Flüchtlingsheim, später hielt er sich mit einfachen Jobs bei Fastfood-Ketten wie McDonald’s über Wasser, während er sich langsam wieder der Musik zu widmen begann. Zuerst trat er mit der deutsch-iranischen Band „Tapesh 2012“ auf, später unterstützte er mit seinen Songs von Deutschland aus die Demokratiebewegung im Iran, die nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen des Jahres 2009 gegen das Regime aufbegehrte. Dank Internet schlug ihm von dort eine riesige Resonanz entgegen. Kopien seiner Alben werden im Iran auf dem Schwarzmarkt gehandelt, seine Songs von iranischen Radiostationen im Ausland gespielt.
Kein Vergleich zu Eminem
Najafis Gedanken kreisen bis heute noch immer hauptsächlich um den Iran. Zugleich sieht er den ungewollten Wirbel um seine Person als Chance, auch als Künstler in Deutschland anzukommen. „Ich habe mir in der iranischen Szene in Deutschland einen Namen gemacht. Aber jetzt muss ich versuchen, von meiner Kunst und Musik zu leben, so wie andere Profimusiker auch. Denn das ist der einzige Job, den ich kann.“ Selbstkritisch sagt er über sich: „Ich lebe seit acht Jahren in Deutschland und habe mich bisher nur unter Persern und in der persischen Szene bewegt. Dabei mache ich westliche Musik, keine traditionelle iranische Musik.“ Erste Songs auf Deutsch und Englisch hat er bereits aufgenommen und sucht dafür nun ein Label.
Mit Rap hat seine Musik nichts zu tun, das ist ein Missverständnis, weil sein Song „Naghi“ aus Sprechgesang besteht. Und auch mit Eminem möchte er nicht verglichen werden. Najafi ist eher ein Sänger und Songwriter, der in Rock und Blues zu Hause ist. Dass er auch einem deutschen Publikum etwas zu sagen hat, davon ist er überzeugt: „Themen wie Freiheit, Atomwaffen und Gefängnis sind universell, sie haben nicht nur mit einem bestimmten Land zu tun“, sagt er. Aber er kennt auch seine Grenzen: „Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Aber ich vertraue meinem Humor und meinen satirischen Fähigkeiten.“ Damit, so hofft er, lässt sich eine Brücke zum deutschen Publikum bauen.
Diesen Sommer stehen im Iran wieder Präsidentschaftswahlen an, bei denen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad nicht noch einmal antreten kann. Shahin Najafi hat trotzdem wenig Hoffnung, dass sich die Situation in seinem Land verbessert. „Das iranische Regime strotzt vor Kraft, die Bevölkerung dagegen ist erschöpft.“ Die Führer der Opposition stehen noch immer unter Hausarrest, viele Aktivisten sind in Haft oder im Exil. Die Möglichkeiten des Westens, auf die Entwicklung im Iran einzuwirken, seien ebenfalls begrenzt. „Die Sanktionen treffen die iranische Bevölkerung, nicht das Regime“, sagt Shahin Najafi. Auf seine Weise wird er sich weiter im Iran einmischen.
■ Shahin Najafi: „Wenn Gott schläft“. KiWi, Köln 2013, 160 S., 8,99 Euro. Konzerte: 11. Mai Berlin, 17. Mai Köln, 19. Mai Heidelberg