: Die unperfekte Roadshow für Lernbegeisterung
ANDERS LERNEN Die Gründer der NGO „Schule im Aufbruch“ Margret Rasfeld und Gerald Hüther touren durch Deutschland. Die Hallen sind voll – auch wenn nicht alles immer am Schnürchen läuft
Wenn am heutigen Mittwoch der Laster der Lernbegeisterten in Baden-Württemberg eintrifft, dann hat das gute Gründe – und einen Schönheitsfehler. Denn es gibt noch viel zu tun im Südwesten, wo es nur schrittweise vorangeht mit integrativen Schulen (siehe Text oben). Aber auf dem Plakat steht noch Bildungsministerin Warminski-Leitheußer als Schirmfrau, eine Ministerin, die gerade ihren Hut nehmen musste. Für Margret Rasfeld, Gerald Hüther und Schüler der Evangelischen Gemeinschaftsschule Berlin ist das eher Ansporn: Wenn sie Werbung für Lernlust machen, ist die Hütte voll.
In Aachen waren am Montag 600 Leute da, als Rasfeld und Hüther über neues Lernen und intrinsische Motivation sprachen, in Dortmund wurden gestern abend 650 erwartet, im AudiMax der Uni Bielefeld wollten 800 Leute hören, was die Roadshow über Lernbüros, Projektlernen und notenfreies Lernen zu berichten hat. Der Bus mit der Schulleiterin und Buchautorin Rasfeld (EduAction) und dem Hirnforscher mit den steilen Thesen („in sechs Jahren bricht das Schulsystem zusammen“) macht noch in Heilbronn, München, Bayreuth, Dresden, Frankfurt und Berlin halt.
Hüther und Rasfeld haben kürzlich die zivilgesellschaftliche Plattform „Schule im Aufbruch“ gegründet, jetzt gehen sie sozusagen auf Tour mit ihrer Botschaft. Mit dabei sind SchülerInnen der Berliner ESBZ, die etwa 20 Minuten lang auf der Bühne sagen, wie sie lernen. Dabei gibt es kein Referat zu hören, wie das Lernbüro an der ESBZ funktioniert, sondern – wie in Aachen – zum Beispiel die Frage: „Wann macht lernen Spaß?“ Die Antwort: Wenn es selbstbestimmt ist, wenn die Schüler mitreden können, wenn es Projekte gibt, die etwas mit den echten Problemen zu tun haben. Allerdings muss sich das Publikum immer auf etwas gefasst machen – seien es die großen Gesellschaftsentwürfe von Margret Rasfeld oder die diffizilen Hirnerkundungen von Hüther.
In Aachen schockten die Schüler das Publikum. Um zu zeigen, wie eine Schulversammlung an ihrer Schule abläuft, baten sie Teilnehmer aus dem Publikum, vor 600 Leuten etwas Lobendes zu sagen. Als sich keiner melden wollte, streikten die vier Schüler auf dem Podium: Sie machten nicht weiter, bis jemand den Mut hatte, etwas Positives zu sagen. Eine Schülerin meinte hinterher, „wir müssen nicht unbedingt perfekt vortragen, sondern die Leute berühren.“
Ob das reicht, um in den Hochburgen des Schulkonservatismus, in Baden-Württemberg und Bayern, Punkte zu machen, wird man sehen. Die Realität dort ist eine doppelte: Hier die harten ideologischen Auseinandersetzungen, mit denen die dreigliedrige Schule gerettet werden soll. Dort enttäuschte Eltern, die keine Lust mehr haben, den Druck auf Grundschüler ab der zweiten Klasse mitzumachen – und die nach jedem Strohhalm eines anderen Lernens greifen. Dass Gemeinschaftsschulen oder fusionierte Haupt- und Realschulen keine Selbstläufer sind, zeigt sich indes auch. Weder die Lehrer noch die konservativen Eltern sind im konkreten Schulalltag darauf vorbereitet, wie man heterogene Schülergruppen unterrichtet. Und dort entsteht aus Unperfektion nicht immer nur Begeisterung. TAZ