: Gleichwertiges Nebeneinander
RELIGION Die Uni Osnabrück wurde zu einem Standort des neuen Zentrums für Islamische Theologie auserkoren. Noch ist es schwierig, westlich sozialisiertes Personal zu finden
VON HOLGER KLEMM
Ausgerechnet Osnabrück. Hier startet an der Universität zum Wintersemester 2012 erstmalig der Studiengang Islamische Theologie als Hauptfach und Islamische Religionspädagogik als reguläres zweites Unterrichtsfach. Damit finde endlich eine Gleichbehandlung statt, freut sich Professor Bülent Ucar: „Durch diese Normalisierung können wir inhaltlich nach denselben Maßgaben einen Studiengang anbieten, wie es auch für die anderen Theologien möglich ist.“
Seit 2007 bot die Uni Islamische Theologie als Nebenfach an. Religionspädagogik konnte als drittes Erweiterungsfach, also nach abgeschlossenem Lehramtsstudium, zusätzlich absolviert werden. Dann wurde die Uni Osnabrück gemeinsam mit der Uni Münster vom Bildungsministerium dazu auserkoren, Standort des neuen Zentrums für Islamische Theologie zu werden.
Unterstützung gibt es von allen denkbaren Seiten. Annette Schavan gibt Geld für acht Postdoktorandenstellen frei. Die Essener Mercator-Stiftung finanziert bundesweit 15 Promotionsstellen für Islamische Theologie, deren Absolventen perspektivisch auch in Osnabrück tätig werden können. Im konfessorischen Beirat sitzen der Landesverband der Muslime in Niedersachsen e. V., Schura Niedersachsen und der deutsche Ableger der türkischen Religionsbehörde, Ditib. Sie reden ein Wörtchen mit bei der Auswahl der Professoren. Formal liegt die in der Verantwortung der Uni. Doch wie bei kirchlichen Ausbildungsstätten auch, werden Grundanforderungen formuliert. Wer etwa die historische Existenz Mohammeds infrage stelle, wird, wie Ucar in anderen Interviews betonte, keine Chancen haben.
„Es ist ein großes Problem, gutes Personal zu finden“, räumt Soziologieprofessor Rauf Ceylan ein. Denn Osnabrück ist nicht die einzige Uni, die derzeit erfahrene Lehrkräfte sucht. Gegenwärtig bauen sieben Standorte im Land ihre Islamstudiengänge aus. Und der Anspruch ist, westlich sozialisierte Menschen zu finden. Das sei bei Imamen, die bisher meist aus der Türkei nach Deutschland kamen, das Problem gewesen. Sie konnten kaum Antworten geben auf die bundesdeutsche Wirklichkeit: etwa die hiesige Frauenrolle betreffende Fragen oder religionsethische Positionen zu beispielsweise der Organspende. Im Herbst starten die Studiengänge mit vier Professoren, ab dem kommenden Jahr sollen sieben tätig sein. Das Institut für Islamische Theologie wird dann bundesweit das größte sein.
Weitere Institute mit eigenen Lehrstühlen gibt es in Tübingen, Münster, Erlangen-Nürnberg und Frankfurt am Main. Zukunftsfragen stellen sich auch beim Einsatz der künftigen Theologen. Eine Entsprechung für die Kirchensteuer existiert nicht. Die Gemeinden sammeln Spenden für die Imame. Anders bei den von der Ditib aus Ankara entsandten Geistlichen, die zusätzlich zum Gehalt noch einen Auslandsbonus erhalten und in zur Moschee gehörigen Räumen wohnen, wie Ceylan beschreibt. Aber abgesehen davon existiert noch kein Einkommensmodell. Und andere Arbeitsfelder, in denen christliche Theologen tätig sind, wie Militär- und Gefängnisseelsorge oder Sterbebegleitung, sind noch nicht erschlossen. „Wird man in kirchlichen Krankenhäusern offen sein für muslimische Seelsorger?“, fragt der Soziologe. Finanzielle Sicherheit bietet da eher eine Anstellung als Religionspädagoge.
Ein Hintergrund der von Land und Bund geförderten Studiengänge ist die Entscheidung, in Niedersachsen und NRW islamischen Religionsunterricht als reguläres Fach für muslimische Schüler einzuführen. Für einen flächendeckenden Unterricht müssen allerdings noch ausreichend entsprechende Religionspädagogen ausgebildet werden.
Ausgerechnet Osnabrück. Hier wurde ab 1643 der Westfälische Friede zwischen Protestanten und Katholiken ausgehandelt. Dieser beendete 1648 den nicht zuletzt religiös motivierten Dreißigjährigen Krieg. Jetzt spiegelt das gleichwertige Nebeneinander von christlicher und islamischer Theologie in Osnabrück eine aktuelle Realität wider: Der Islam gehört zu Deutschland.