: Rettet die E-Zigarette die Rauchkultur?Ja
Räume voll von schwerem Tabakqualm sind bald passé. Dampfer erzeugen Dunst, der sie und andere weniger gefährdet
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Martina Pötschke-Langer, 63, vom Deutschen Krebsforschungszentrum
Die Befürchtung einer neuen Konsumwelle mit einem zweifelhaften Produkt ist realistisch. Die E-Zigarette ist eine Verführung für Kinder und Jugendliche – insbesondere in ihrer bunt verpackten Variante, als trendymäßige „E-Shisha to go“. Das Design erinnert an Buntstifte, Kioskbetreiber rund um Schulen verkaufen das Produkt. Es besteht die Gefahr, dass die Erfolge in der Tabakprävention zunichte gemacht werden. Das Marketing für E-Zigaretten zielt auf Raucher und Exraucher, mit dem Argument des „gesünderen“ Rauchens. Das ist unschwer zu belegen: Gegen das Giftgemisch einer Tabakzigarette scheint wohl auch ein Chemikaliengemisch wie das einer E- Zigarette weniger gefährlich. Die Langzeitfolgen für Raucher aber, die zumeist ein vorgeschädigtes Bronchial- und Lungengewebe haben, sind ungewiss. Die E-Zigarette dient der Renormalisierung des Rauchens. Besonders in Bundesländern mit lückenhaftem Nichtraucherschutz lädt dieser geradezu zum Konsum von E-Zigaretten ein.
Sebastian Frankenberger, 32, ist Rauchgegner und Bundesvorsitzender der ÖDP
Die E-Zigarette ist nichts anderes als die Fortsetzung der sogenannten Rauchkultur. Es ist noch nicht geklärt, ob sie für Außenstehende schädlich ist. Auch die Langzeitrisiken für Nutzer sind unbekannt. Die Aufgabe des Staates sollte sein, uns vor der nächsten jugendverführenden Sucht zu schützen. Also: Werbeverbot, gleiche Einstufung wie herkömmliche Zigaretten und Verbot in öffentlichen Gebäuden und Gastronomie. Wir sollten uns die Frage stellen, warum der Mensch Ersatzbefriedigungen und Drogen braucht. Weil der Leistungsdruck zu hoch ist, weil wir in einer ständigen Wachstumszwang-Gesellschaft leben? Wir sollten die Ursachen angehen. Im Bildungssystem müssen wir emotionale und soziale Kompetenzen fördern und Reflektieren lernen, damit wir Drogen gar nicht erst brauchen. Ja zu einer Kultur des bewussten Umgangs mit unserem wichtigsten Gut, unserem eigenen Körper.
Heino Stöver, 58, ist Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung
Elektronische Zigaretten und E-Shishas sind weltweit auf dem Vormarsch. Seit 2007 breitet sich die E-Zigarette rasant aus. Marktanalysten sagen voraus, dass die E-Zigarette in 10 Jahren die konventionelle Tabakzigarette überholen wird. Diese Entwicklung ist nur vergleichbar mit einer anderen Rauchrevolution: der Erfindung der Zigarettenrollmaschine im Jahre 1880. Damals hat die Zigarette ihren Siegeszug begonnen – und die Gesellschaft gespalten in Raucher und Nichtraucher. Aber wie gefährlich ist das Dampfen? Als Konsequenz aus dem Fehlen gesetzlicher Regelungen und Verbraucherschutzbestimmungen weiß man in der Tat nicht genau, was die E-Zigarette enthält. Klar ist nur, dass auch sie bedenkliche Substanzspuren enthalten kann, allerdings sehr viel seltener und in einem weitaus geringerem Maße als Tabakzigaretten – und im Übrigen viel ungefährlicher. Gerauchter Tabak enthält etwa 4.000 chemische Stoffe, von denen viele toxisch sind (übrigens auch nicht auf der Zigarettenschachtel ausgewiesen). Abgewogen und nüchtern betrachtet muss man auf einer Risikoskala E-Zigaretten am unteren Ende, etwa neben Produkten zum Nikotinersatz ansiedeln, Tabakzigaretten jedoch ganz oben. Ja, Dampfen macht Rauchen erst richtig schön, weil ohne Krebsrisiken! Und zudem ist das Dampfen eine Revolution von unten – eine schadensminierende Strategie der Verbraucher selbst – von der Politik weitgehend alleingelassen. Ob zum Rauchstopp oder zur Rauchreduktion – alles ist besser als Tabakzigaretten. Und der Verführungscharakter für Jugendliche? Nicht belegt und höchstwahrscheinlich sehr gering.
Nein
Sven Plaeschke, 36, leitet den Bundesverband Deutscher Tabakpflanzer
Nein, das kann und muss sie auch gar nicht. E-Zigaretten sind ein eigenständiges Genussmittel mit eigenen Zielgruppen. Für manche können sie eine Alternative oder Ergänzung zu üblichen Tabakwaren sein. Doch der traditionelle Genuss von Tabak wird dadurch als Kulturgut nur am Rande berührt. Auch wenn das Rauchen zunehmend stigmatisiert und verboten wird, gibt es Menschen, die bewusst nicht auf Tabakgenuss verzichten wollen und dafür ihre Freiräume finden. Trotz der bekannten Gesundheitsrisiken ist für sie das Anstecken einer edlen Tabakmischung der Inbegriff von Lebensart. Das wird auch zukünftig so sein. Möglicherweise festigt sich eine eigenständige Dampfkultur, aber das ändert nichts an der Tabakrauchkultur. Denn diese ist ebenso eigenständig und bei vielen Genussmenschen fest verwurzelt.
Kai Schmalenbach, 44, sitzt für die Piraten im nordrhein-westfälischen Landtag
Ich denke nicht, dass die E-Zigarette „die Rauchkultur“ rettet. Um das Dampfen herum bildet sich eine völlig neue Kultur, die ich nicht der bisherigen Rauchkultur zuordnen würde. Im Gegensatz zur Zigarette, Pfeife oder Zigarre entsteht beim Dampfen eben kein stinkender Rauch, kein schaler Geruch am Morgen danach, es riecht viel mehr wie in der Disco während des Betriebes. Denn mit Propylenglykol wird der gleiche Trägerstoff verwendet wie in Nebelmaschinen. Propylenglykol befindet sich auch in vielen kosmetischen Produkten, Medikamenten und Asthmasprays. Die E-Zigarette ist eine Ausstiegschance für Raucher, die völlig zu Unrecht bekämpft wird.
Bo Ekberg ist internationaler Senior Vice President des E-Zigarettenherstellers NJOY
Mit der stärkeren Verbreitung von E-Zigaretten hat sich ein klares Nutzungsmuster herausgebildet, das sich stark von der traditionellen „Rauchkultur“ unterscheidet. Einer Umfrage im Vereinigten Königreich zufolge rauchen die meisten Dampfer auch Tabak oder haben es früher getan – Nichtraucher greifen erwiesenermaßen selten zur E-Zigarette. Gewöhnlich verläuft eine Dampferkarriere entlang dreier Produkttypen: Einwegprodukte ähneln Zigaretten, deswegen ermöglichen sie Rauchern einen guten Einstieg in das Dampfen. Die meisten wechseln danach zu wiederaufladbaren Produkten, die wie ein Stift aussehen; die Verbindung zum Tabak wird unwichtiger. Schließlich steigen sie auf sogenannte „Vape Pens“ um, bei denen der Nikotingehalt in den Hintergrund rückt. Hier zählt der geschmackvolle Genuss. An diesem Punkt sehen sich Nutzer nicht mehr als Raucher, sondern als Dampfer. Dadurch entsteht eine neuartige „Dampfkultur“.
Stefanie Meffert, 29, ist taz-Leserin und engagiert sich für eine Dampferinitiative
Ein Irrtum, der von Gegnern des Dampfens häufig zitiert wird: die E-Zigarette „normalisiere“ das Rauchen wieder. Nur: Wo nichts verbrannt wird, wird nicht geraucht. Das ist, als würde man sagen, Wasser trinken normalisiere Wodka – sieht ja genauso aus. Viele dampfen abseits des Hypes, sogar abseits der Sucht, es geht ihnen um Vielfalt und Genuss. Nikotin ist dabei nicht der Feind. Alleinstehend ist Nikotin in etwa so gefährlich wie Koffein – über eine Kaffeekultur oder Kaffeesucht aber regt sich niemand auf. Wir Dampfer kämpfen für unsere Vielfalt. Dabei haben wir mächtige Gegner, die die E-Zigarette am liebsten als Einheitsprodukt in Zigarettenform sehen wollen: nämlich die Tabak- und die Pharmaindustrie.