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Archiv-Artikel

Spatz schießt auf Kanone

MILITARISIERUNG „Der Tag des Spatzen“ (Forum) kreist um die Frage, ob Deutschland im Krieg ist

Es ist eine doppelte Obsession, die ihn vorantreibt, auch immer wieder auf scheinbare Abwege führt

VON EKKEHARD KNÖRER

Ein Spatz knallt gegen eine Glasscheibe, wieder und wieder. Stur, brutal, dumm. Mit diesem schrecklichen Bild beginnt Philipp Scheffners neuer Film. Nach dem Vorspann dann eine ganz anders geartete Szene, wieder mit Spatzen: Sie sitzen in einer Pfütze, nehmen ein Bad, und das Spritzwasser produziert in der Aufnahme der Digitalkamera glitzernde Lichtperlenstränge. Eine Kontrastmontage: das Dumpfe und das Helle, das Brutale und das Lichte. Sind freilich nur Spatzen.

Erst einmal sieht man nicht, worauf „Der Tag des Spatzen“ hinauswill. Man erfährt manches über die kleinen Vögel und kann eine Weile lang beinahe glauben, Scheffner habe einen ornithologischen Dokumentarfilm gedreht. Man lernt, dass sie seit Jahren rapide weniger werden in zubetonierter Stadtlandschaft. Man erfährt, dass vor ein paar Jahren ein Spatz erschossen wurde, weil man in ihm – mit gutem Grund übrigens – eine Gefahr für einen Dominosteinweltrekord sah.

Die Spatzenabschusssache verfolgt der Film bis hin zu Expertenstatements zu den rechtlichen Komplikationen. Es ist eine Spur, die, wie es scheint, nirgendwohin führt. Dazwischen schießt einer mit dem Gewehr Tauben von ihrem Sims unter der Brücke. Ein Reiher steht nachts auf der Straße, eine Katze schleicht herum. Was das alles soll, bleibt lange eher unklar. Dann aber geraten, man merkt es zunächst fast nicht, die Vögel in andere Gesellschaft: Von der Bedrohung ist die Rede, die sie für Flugzeuge darstellen, insbesondere im Afghanistankrieg.

Gewaltsam geradezu produziert der Film in der Folge immer wieder diese Assoziation: zwischen Spatzen und Krieg, Bildern des Friedens aus Deutschland und der Reflexion auf den Kriegszustand, den man diesen Bildern nicht ansieht. Luftaufnahmen von der Mosel, dazu die Information, dass dies die Landschaft ist, in der die Piloten für den Einsatz in Afghanistan üben.

Einerseits ist „Der Tag des Spatzen“ ein Film, der behauptet oder, vielleicht eher noch, sich zu behaupten genötigt sieht, dass man in Zeiten, in denen Deutschland am Hindukusch Krieg führt, nicht einfach einen Dokumentarfilm über Spatzen drehen kann. Das Interessante an der Bewegung, die Scheffners Film dabei vollzieht, ist andererseits, dass er sich auf dieser These nicht ausruht, sondern dass er dabei immer wieder zugleich von den Vögeln nicht loskommt. Es ist eine doppelte Obsession, die ihn vorantreibt, befeuert, auch immer wieder auf scheinbare Abwege führt.

Scheffner schießt mit Kanonen auf Spatzen und mit Spatzen auch auf Kanonen. Sein Film knallt wie ein Spatz gegen Scheiben und stellt im nächsten Zug deutsche Landschaft in schönes Licht. Er nimmt Soldaten ins Visier, er umkreist und umschleicht Kasernen in freier Natur, er findet das Schutzgebiet neben militärischen Zonen. Er zitiert lange aus Telefonaten mit Bundeswehrzuständigen, die skeptisch sind, die sein Projekt zu „subtil“ finden, die nicht unsicher wirken wollen, die den Eindruck haben, dass der entstehende Film zur Werbung für das im Ausland kämpfende Heer wohl nicht taugt. Wahrscheinlich haben sie recht, nun aber stehen sie noch blöder da.

Zu den Wendungen, mit denen der Film wieder und wieder verblüfft, gehört eine in Richtung Politaktivismus. Immer insistenter fragt Philipp Scheffner die Leute, mit denen er spricht, ob sie glauben, Deutschland sei im Krieg. Gegen Ende des Films steht er dann mit einem Freund Vögel beobachtend in der Natur.

Dieser Freund – hat aus dem Off der Regisseur zuvor erzählt – wurde wegen eines angeblichen Anschlags gegen Bundeswehrautos und also wegen Widerstands gegen den Afghanistankrieg in Brandenburg festgenommen und nach Karlsruhe verbracht. Er ist auf Kaution draußen. Sie stehen in der Natur, von Zweigen halb verdeckt. Sie sprechen über den Krieg, was man tun kann, was nicht. Hier hat die Beschäftigung mit dem Krieg ihre größte Ausdrücklichkeit erreicht. Und doch insistieren in diesem fast idyllischen Bild auch wieder die Vögel.

■ 19. 2., 19 Uhr, Delphi; 20. 2., 12.30 Uhr Cubix 7 und 22.30 Uhr Arsenal 1