: Vater des Hamburger NSU-Opfers sagt aus
NSU-PROZESS Gericht verhandelt über Mord an Süleyman Tasköprü in Hamburg. Die Anwälte der Familie werfen den Ermittlungsbehörden vor, dass sie wichtigen Spuren nicht nachgegangen seien
Anwalt Andreas Thiel
Im NSU-Prozess soll am heutigen Montag Ali Tasköprü vor dem Oberlandesgericht München als Zeuge aussagen. Am 27. Juni 2001 starb sein Sohn Süleyman Tasköprü im gemeinsamen Lebensmittelladen in Hamburg-Bahrenfeld.
Er war der dritte Tote in einer Serie von zehn Morden, die den Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zugerechnet werden. Schon in der ersten Vernehmung noch am Tag der Tat hatte Ali Tasköprü den Ermittlern einen wichtigen Hinweis gegeben, den sie aber nicht verfolgten.
Der Anklage zufolge soll Süleymann Tasköprü von Beate Zschäpes Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in seinem Laden durch Kopfschüsse hingerichtet worden sein. Zschäpe ist als Mittäterin angeklagt, da sie für die legale Fassade gesorgt haben soll.
Schon im Vorfeld hatten die Anwälte der Familie Tasköprü die Ermittlungsbehörden kritisiert. Anwältin Angela Wierig vermutete, dass die Ermittlungen anders geführt worden wären, wenn „die Familie deutsche Wurzeln gehabt“ hätte. Und Anwalt Andreas Thiel bemängelte, das nicht erklärbar sei, „warum in den Ermittlungsakten nur ausländische Namen“ zu finden seien. Denn bereits wenige Stunden nach dem Mord berichtete Ali Tasköprü den Beamten von zwei Männern, die er zuvor in der Nähe des Ladens beobachtet hatte. Er beschrieb die beiden als groß, schlank und zwischen 25 bis 30 Jahre alt. Auf Nachfrage eines Ermittlers, ob es sich um Deutsche oder Türken gehandelt hätte, sagte er damals: „Deutsche“.
Als Ali Tasköprü in den Laden kam, lag sein schwer verletzter Sohn in einer Blutlache auf dem Boden. Er starb kurz darauf in seinen Armen. Laut Anklage sollen Mundlos und Böhnhardt ihn dreimal in den Kopf geschossen haben, zunächst ins Gesicht und dann mit zwei Schüssen aus kurzer Distanz in den Hinterkopf.
Anwalt Thiel hält den Hamburger Ermittlern außerdem vor, Hinweise von Nürnberger Kollegen ignoriert zu haben. Diese hatten nämlich darauf hingewiesen, dass in Nürnberg mit derselben Waffe zwei weitere Mode an türkischen Kleinunternehmern verübt worden seien. „Da hätte man das rechte Lager ins Auge fasse müssen“, sagte er dem NDR.
Aysen Tasköprü, die Schwester des Opfers, ist zudem enttäuscht, dass sich die Polizei nach dem Auffliegen des NSU nicht mehr bei der Familie gemeldet habe. ANDREAS SPEIT